Verlag entdeckt Verbraucher

Die „Bild“-Gruppe plant ein Verbrauchermagazin. Stiftung Warentest bleibt gelassen. Chef vom „Guten Rat“ sieht Markt für mehr als zwei Titel. Produkttests seien out

BERLIN taz ■ Der Verbraucher hat’s gut. Vor drei Monaten erhielt er ein eigenes Ministerium, jetzt bastelt der Axel-Springer-Verlag an einer Zeitschrift für ihn. Nach Informationen des Kontakter werde das Magazin mit dem Arbeitstitel „Test-Bild“ unter der Leitung des Chefredakteurs von Computer-Bild, Harald Kuppek, entwickelt.

Das Blatt soll der Zeitschrift der Stiftung Warentest Konkurrenz machen. Springer plane das Projekt größer als Computer-Bild und baue bereits eine Redaktion auf. Der Verlag selbst wollte die Informationen gestern weder dementieren noch bestätigen. „Wir beschäftigen uns immer mit interessanten Zeitschriftenprojekten“, so Sprecherin Edda Fels.

Bei der Stiftung Warentest hört man die Gerüchte mit Interesse. „Es ist aber fraglich, ob das Projekt für den Axel-Springer-Verlag überhaupt lukrativ ist“, sagt Stiftungssprecher Wolfgang Springborn. Sein Haus habe vor zwei Jahren allein 12,5 Millionen Mark in 130 Produkt- und 50 Dienstleistungstests investiert. Zudem verzichte das Magazin der Stiftung komplett auf Anzeigen, um die Unabhängigkeit zu wahren. Springer werde so weit sicher nicht gehen.

„Natürlich kann sich kein Verlag leisten, was die Stiftung Warentest dank staatlicher Zuwendungen macht“, sagt der Chefredakteur des Guten Rat, Werner Zedler. Der Gute Rat ist die einzige Zeitschrift aus der ehemaligen DDR, die sich auch in den westdeutschen Bundesländern akzeptabel verkauft. Früher schrieben die Autoren, wie man Regale selbst baut, weil es keine zu kaufen gab. Heute gibt das „einstige Zentralorgan der Mangelwirtschaft“ (Zedler) Tipps, welche Versicherungen sich lohnen, wo man billig telefonieren kann und wo das Girokonto günstig ist.

„Für solche Themen gibt es einen großen Bedarf“, sagt Zedler. Deswegen werde die neue Zeitschrift von Springer eher in diese Richtung gehen und kaum Produkte testen. Stiftung Warentest arbeitet für Zedler ohnehin völlig unzeitgemäß. „Die zählen die Umdrehungen von Waschmaschinen oder klopfen mit dem Hammer auf Fahrrädern rum. Am Ende fällt es ihnen immer schwerer, schlechter als befriedigend zu bewerten.“ Das Problem seien nicht die Produkte. „Die sind heute nicht mehr schlecht.“ Den Verbraucher interessiere vielmehr, welches der Produkte für seine Bedürfnisse interessant ist.

„Spätestens wenn die Rentenreform in Kraft tritt, wird jeder wissen wollen, welche der vielen Zusatzvorsorgen und Versicherungen für mich die richtige ist“, sagt Zedler. Dank zunehmender Verwirrung auf dem Versicherungsmarkt, bei Ökolebensmitteln oder bei günstigen Stromanbietern blickt Zedler einer neuen Verbraucherzeitschrift gelassen entgegen. „Der Markt hat sogar Platz für mehr als zwei Titel.“

RALF GEISSLER