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: Doch noch Mr. Nice Guy

Die Berufung des Kifferkönigs

Auch wenn die von Max das anders sehen: Kiffen ist irgendwie kein Thema mehr. Außer man tut es, natürlich. Auffällig ist aber dennoch, dass mehrere frühere Meisterkiffer, die man für ihr unaufgeregtes Sich-nicht-festlegen-Wollen und die begrünten Balkone schätzte, ihre Terrakottapötte in der Garage eingemottet und sich stattdessen ein, zwei entscheidungsfreudige Stirnfalten zugelegt haben. Selbst die Invasion der Amsterdamer Linken im vergangenen Jahr rauchte nur zu hohen Feiertagen, hatte entsprechend keine Ahnung von Qualität und Preisen und musste erst stundenlang zum Freundschaftsexport überredet werden. Liegt es daran, dass inzwischen der Ruf anderer Medikamente aufregender, straighter oder dissidenter tönt als der der rätselhafterweise immer noch nicht restlos legalisierten, weichen Antiarbeitsdroge? Jedenfalls fiel hierzulande auch der Siegeszug von Howard Marks nicht weiter auf.

Wobei Howard Marks’ Prominenz auch nur bedingt mit Kiff zu tun hat. Natürlich: Marks war in den 70er- und 80er-Jahren einer der bedeutendsten Haschdealer der Welt – und nicht nur das. Zeitweise kontrollierte er zehn Prozent des globalen Marihuanahandels; außerdem pflegte er skurril tönende Verbindungen zu diversen Geheimdiensten und Untergrundbewegungen von IRA bis Mafia. Vor allem aber war er einfach Dealer, ein beeindruckend schlauer Gschaftlhuber, Networker, Partnerbescheißer und Staatsanwaltaustrickser mit ziemlich viel Glück und (eigentlich nur klein-) kriminellen Energien, der eben Kiff verschob statt Baumwollsocken oder Atommüll, Kaffeebohnen oder Beutekunst. Erstaunlicherweise rauchte er selbst auch zu kniffligsten Zeiten mindestens 20 Joints am Tag; trotzdem konnte er sich seine 43 verschiedenen Decknamen merken.

Seit seiner Entlassung aus einem US-Knast 1995 (nach sieben statt veranschlagten 25 Jahren) vertickt sich Marks – auf Bewährung – nämlich selbst. Sein Label heißt Mr. Nice, ein nickname aus alten Zeiten, der auch besser zu ihm passt – schließlich klingt Marks verdammt nach Marx. Mit Mr. Nice inszenierte Marks sich nachträglich zur Galionsfigur der Kifferbewegung, der das pazifizierende Kraut aus Thailand, Nepal, Pakistan und Afghanistan tonnenweise in die wüstesten, darbendsten Regionen der Welt brachte – wie zum Beispiel in die USA –, zum „James Bond des Haschischhandels“, zum Anarchodealer mit Larry-Flint-Image, der im Spiel mit Zoll- und Drogenfahndung stets der siegreiche Igel blieb und eigentlich nicht für sein eigenes Portemonnaie, sondern für die Freiheit kämpfte, kurz: zur „Kultfigur“, deren anekdotisch aufbereitetes Leben man in Buch- und Videoformat erwerben kann. Außerdem bietet Marks über seine Homepage www.mrnice.co.uk spezielle online-shopping conditions und einen Gratis-Internetzugang an; aufrichtig bittet er User um Gratis-Übersendung ihrer persönlichen Drogenstorys, denn: „I am writing an anthology of drug stories to be published next autumn.“ Isn’t it nice? Kiffer, sichert eure Copyrights!

Dies nur am Rande. Aus Mr. Nice’ alias Howard Marks’ Buch und Leben ist nämlich trotzdem ein schönes Hörbuch geworden. Alan Bangs, der „Rockpalast“- und „Ohne Filter“-Moderator mit dem sorgfältig konservierten britischen Akzent, liest die straffe Short-Version der anekdotisch wie sprachlich ganz passablen, glücklicherweise Berufsphilosophien und Selbstbeweihräucherungen weit gehend aussparenden Autobiografie, die romantisch in der walisischen Provinz beginnt. Während eines Physikstudiums im Oxford der 60er-Jahre entdeckt Howard die Lieblingsdroge und damit seine wahre Berufung. Von da an ist es nicht ganz einfach, den Überblick über Marks’ diverse Coups und Kontakte, das Katz-, Maus- und Versteckspiel mit verschiedenen Behörden und Identitäten zu behalten. Eine Konstante im bewegten Geschäftsleben bleibt jedoch sein Haupt- und Immer-Wieder-Partner Jim McCann, der neben seiner sozusagen offiziellen Funktion als Terrorist und IRA-Waffenbeschaffer auch noch bis zum Hals im Drogenschmuggel steckt. McCanns temperamentvoller Gebrauch des Füllworts fuck(ing), der sich im Deutschen schwerlich wiedergeben lässt, ist schließlich der rote Faden, der durch das Leben dieses Händlers führt.

EVA BEHRENDT

Howard Marks: „Mr. Nice“. Gelesen von Alan Bangs, 2 CDs, BMG Wort, München 2000, 39 DM