Britanniens Bauern gegen Tierimpfung

Bei der Bekämpfung von MKS läuft Premierminister Blair die Zeit davon, denn im Juni soll gewählt werden

DUBLIN taz ■ Britanniens Bauern wollen ihre Tiere nicht gegen die Maul- und Klauenseuche impfen lassen, und die Regierung kann sie nicht dazu zwingen. Dazu müsste sie ein Gesetz erlassen. Premierminister Tony Blair wollte entgegen ursprünglichen Absichten in Cumbria und Devon, den beiden Grafschaften, die am schwersten von der Seuche betroffen sind, Impfungen für Tiere im Umkreis eines infizierten Hofs einführen. In den Arbeitsämtern der Grafschaften hingen bereits Stellenausschreibungen für Fachleute aus, die das Impfprogramm umsetzen sollen.

Grund für den Meinungsumschwung ist, dass man mit der Beseitigung der getöteten Tiere nicht nachkommt. Mehr als 400.000 Kadaver liegen auf den Weiden, rund eine halbe Million Tiere soll noch getötet werden. Blair weiß, dass es nicht zu schaffen ist, infizierte Tiere binnen 24 Stunden nach der Diagnose zu töten. Tierärzte sagen jedoch, dass diese Frist unabdingbar ist, will man die Verbreitung der Seuche einschränken.

Blair läuft die Zeit davon. Er benötigt Zahlen, die belegen, dass die Epidemie unter Kontrolle ist, bevor er die Parlamentswahlen ausruft. Einmal musste er den Termin bereits verschieben, nun soll am 7. Juni gewählt werden. David King, der Chefwissenschaftler der Regierung, ist optimistisch. Die Seuche sei „vollkommen unter Kontrolle“, sagte er. Es gebe weniger als 20 neue Fälle pro Tag, und alle zwei Wochen halbiere sich die Zahl. Gleichzeitig sprach er sich jedoch für Impfungen aus, weil die Rinder sehr bald auf die Weiden getrieben werden. Dadurch erhöhe sich die Gefahr der Ausbreitung der Seuche. Den Bauern bleibt jedoch gar nichts anderes übrig, da die Wintervorräte an Futtermitteln zu Ende gehen.

Der Bauernverband ist gegen Impfungen. Wirtschaftliche Erwägungen spielen die Hauptrolle: Im Fall eines Impfprogramms würde Britannien den Status als seuchenfreies Land verlieren und könnte mindestens ein Jahr lang kein Fleisch exportieren. Ohne Impfungen könnte man dagegen schon drei Monate nach dem letzten Fall exportieren. Der Exportmarkt ist 1,3 Milliarden Pfund im Jahr wert. Befürworter der Impfungen argumentieren, dass dieser Markt ohnehin verloren sei.

Vor Blairs Amtssitz in der Londoner Downing Street demonstrierten am Wochenende Hunderte von Menschen gegen die Massentötungen und für Impfungen. Dabei spielen auch Umwelterwägungen eine Rolle: Die Scheiterhaufen mit den brennenden Tierkadavern geben mehr Dioxin ab als alle britischen Fabriken zusammen in einem Jahr. Das Vergraben der Tiere ist ebenfalls problematisch. Dirk Hazell, der Geschäftsführer der Firma, die für die Beerdigung der Kadaver zuständig ist, sagte: „Bis zum Ausbruch der Maul- und Klauenseuche war es wegen BSE illegal, die Kadaver von Rindern zu vergraben, die älter als 30 Monate waren. Plötzlich soll das ungefährlich sein. Wenn das so ist, muss uns die Regierung gegen Schadenersatzforderungen von Menschen versichern, die sich mit der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit infizieren.“ Das hat die Regierung jedoch verweigert. RALF SOTSCHECK