Emotionen trotz Liebesglück

■ Die in Wien lebende Sängerin Angelika Kirchschlager gab bei „Glocke-Vokal“ ihr hervorragendes Bremen-Debüt

Sie war nicht nur zum ersten Mal in Bremen, sondern auch zum ersten Mal in Norddeutschland: die in Wien lebende Salzburgerin Angelika Kirchschlager. Ihr Auftritt zählt in der Reihe „Glocke-Vokal“ zu den Engagements, die Glocke-Chefin Ilona Schmiel sich immer besser leisten kann: hier noch unbekannte SängerInnen vorzustellen, weil der Vokalzyklus dank seines guten Rufes inzwischen auch beim Publikum große Resonanz findet. Nun ist die Mezzosopranistin keine Unbekannte, im Gegenteil, sie blickt auf eine schwindelerregende Karriere, aber sie hat hier eben noch nie gesungen.

Schon ihre erste CD zeugt von eigenwilligem Mut zu ausgefallenem Repertoire: Lieder von Erich Maria Korngold und Alma und Gustav Mahler. Auch ihr begeistert aufgenommenes Programm des jetzigen Konzertes in der gut besuchten Glocke brachte mit Robert Schumanns „Frauenliebe und -leben“ zwar einen berühmten Zyklus, beweist aber auch eine liebevolle Suche nach versteckten Perlen: selten gesungene Lieder von Schumann und Franz Schubert.

Kirchschlager, die zunächst einmal Schlagzeug studiert hatte, ist von dem unvergessenen Walter Berry ausgebildet. Ihre Stimme hat neben ihrer natürlichen Schönheit eine überzeugende technische Substanz und sitzt gut in allen Lagen. Sie verbindet ein wunderbar fließendes Legato mit einer guten Wortverständlichkeit. Ihr Interpretationsstil ist auf der einen Seite sehr „sachlich“ – sie singt nichts, was nicht dasteht, bleibt nicht auf Spitzentönen hängen oder verzerrt durch Ritardandi, wie wir das so manchmal hören. Auf der anderen Seite schafft sie es, eine ungemein präsente, intensive und vollkommen unkünstliche und glaubwürdige Emotion zu erstellen. Was bei einem Zyklus wie dem von Schumann gar nicht so leicht ist.

Denn das Frauenleben, das Adalbert von Chamisso da gedichtet hat, ist nicht nur ausschließlich definiert durch Liebes- und Mutterglück, sondern auch dadurch, dass die „Magd“ ihren Glanz durch die Zuwendung des Mannes erhält, der einen „hellen Sinn und festen Mut“ hat. Können wir uns mit dem ersten gerade noch so abfinden, so zeigt das zweite ein Rollenverständnis, das mit großen Mühen überwunden wurde. Aber was soll's, die Musik von Schumann ist großartig, so dass der Zyklus ewig leben wird. Und gerade dann, wenn er so ehrlich und geradeaus gesungen wird, wie Kirchschlager das konnte.

Auch die Schubertwiedergaben waren eine helle Freude: Mit ihrer Fähigkeit, schnell, nachhaltig und intensiv eine emotionale Situation herstellen zu können, hat Kirchschlager alle Voraussetzungen für eine ideale Liedsängerin. Sie trifft zum Teil extreme, aber interpretatorisch gute Entscheidungen für Stimmfärbungen – so das fahle Brechen der Stimme in den MariaStuart-Liedern von Robert Schumann – und Tempo – so den Stillstand in „Abschied“ von Schubert. Bessere Impulse könnte man sich noch von der Begleitung her vorstellen. Und hier wirkte der Pianist Melvyn Tan seltsam blass, was umso mehr verwunderte, als wir uns an ein wahrhaft fulminantes Mozartkonzert erinnern können. Vielleicht war's der moderne Flügel, mit dem er nicht so ganz klarkam, denn Tan ist inzwischen doch ein international anerkannter Spezialist des Hammerklaviers geworden. Er machte nichts falsch, passte sich mit höchster Aufmerkamkeit an, war aber insgesamt zu wenig dialogisch. Ute Schalz-Laurenze