Vier Wochen Opferschutz für Frauen

■ Nach zweieinhalb Jahren: Senatskonzept gegen Frauenhandel und Zwangsprostitution / Schulte will Gewinne abschöpfen, Frauenvertreterinnen freut die künftig obligatorische Betreuung der Opfer

Dem Innensenator war die Wut anzumerken: Nur widerwillig press-te er die Worte heraus beim widerwärtigsten Thema seines Kompetenzbereichs: Frauenhandel. Bremen sei zu einer norddeutschen Drehscheibe im schmutzigen Geschäft mit den Körpern junger Frauen geworden, berichtete Bernt Schulte (CDU) gestern. Der Senator weiß von Mädchen, die in Polen gekidnappt und nach Bremen gebracht wurden. Hier hätten ihre Peiniger sie durch Vergewaltigungen und das Herausschneiden der Klitoris gefügig gemacht und dann zur Prostitution gezwungen.

Aber auch unterhalb solcher Extremfälle ist bei Prostitution in Bremen häufig Menschenhandel im Spiel: Viele Frauen werden unter Vorspiegelung seriöser Arbeitsangebote nach Deutschland gelockt. Hier nutzen die Schlepper ihren ungesicherten Aufenthaltsstatus und ihre wirtschaftliche Abhängigkeit aus. Viele Frauen haben sich hoch verschuldet, um nach Bremen zu gelangen, und haben daher kaum eine andere Wahl als die Prostitution. Die wird laut Schulte immer häufiger in „Modellwohnungen“ statt in herkömmlichen Bordellen ausgeübt – und ist damit schwerer polizeilich zu kontrollieren.

Den Profiteuren will der Innensenator dennoch in Zukunft effektiver das Handwerk legen. Dazu legte er gestern ein ressortübergreifendes Senatskonzept vor, das die Bürgerschaft bereits im Herbst 1998 gefordert hatte. Vier zentrale Punkte hob Schulte hervor – allerdings weitgehend „alte Bekannte“: Aufklärungsarbeit soll mögliche Opfergruppen sensibilisieren. Die Bremer Polizei bietet schon jetzt Präventionsvorträge etwa für Aupair-Organisationen an, die teilweise für die Rekrutierung von Zwangsprostituierten missbraucht werden. Von der Bundesregierung erwartet Schulte, dass sie in den meist osteuropäischen Heimatländern der Frauen aktiv wird und die potenziellen Opfer warnt. Den Menschenhändlern, so sie aus dem Ausland kommen, droht Schulte mit kompromissloser Abschiebung.

Das Problem ist allerdings meist, die Schuldigen überhaupt dingfest zu machen, denn die betroffenen Frauen haben Angst vor Rache und der eigenen Abschiebung. Deshalb verweist Schulte auf das – bestehende – Zeuginnenschutzprogramm der Polizei: Besonders gefährdeten Zeuginnen soll eine neue Identität und ein gesicherter Aufenthalt bis Prozessende das Aussagen erleichtern.

Große Hoffnung für die Zukunft legt Schulte indes in die einzige von ihm vorgetragene Neuerung: 16 Polizisten sollen sich fortan ausschließlich der Abschöpfung von Gewinnen aus Verbrechen widmen – im Vorjahr waren es nur zwei. Indes: Sie sind für Verbrecher aller Art zuständig, Menschenhändler sind nur ein Teil ihrer „Kundschaft“. Die Beamten wurden eigens zum Praktikum nach Hamburg geschickt, wo die Kripo schon lange eng mit dem Finanzamt zusammenarbeitet, um auch der Geldwäsche auf die Spur zu kommen. In Hamburg wird aus den Erlösen eine Beratungsstelle für ausländische Prostituierte finanziert – in Bremen ist davon noch keine Rede.

Einen zentralen Aspekt hat Schulte in seiner Aufzählung aber vergessen: Dass künftig alle betroffenen Prostituierten Betreuung erhalten. Die Kriminalpolizei soll grundsätzlich über das Amt für soziale Dienste eine Beratungsstelle einschalten. Zumindest einen Monat haben die Frauen dann unter psychologischer Betreuung Zeit zu überlegen, ob sie als Zeuginnen zur Verfügung stehen, bevor sie ausgewiesen werden. Für Brigitte Melinkat, Stellvertreterin der Bremer Gleichstellungsbeauftragten, liegt hier der Fortschritt des Senatsprogramms. So würde verhindert, dass die Frauen vor einer Aussage abgeschoben sind. Für Melinkat wäre es hilfreich, wenn die Frauen während des oft mehrjährigen Prozesses legal arbeiten könnten: „Sonst ist die Gefahr einer Rückkehr in die Prostitution sehr groß.“ Jan Kahlcke