Koketterie im Sperrbezirk

Kunstbetrieb, Erfahrungshunger, Westernmythen: Die Kuratorin Diana Baldon führt im Parkhaus Treptow mit ihrer mehrteiligen Ausstellungsreihe „level“ exemplarisch vor, wie ein Kontext entsteht und Lesarten vorgibt

Bloß der Countrysänger fehlt noch, um das Parkhaus Treptow in einen Westernclub zu verwanden. Auf Strohballen lümmelt sich das Publikum, es wird Whisky ausgeschenkt, Grabhügel, Schießstände und das Modell einer Ranch sind dekorativ im Raum verteilt. Nebenan rasen zwei Jungs mit Cowboyhüten mit ihrem Pick-up herum. „You don’t have to have cows to be a cowboy“, heißt die Veranstaltung, die inszeniert wurde von Diana Baldon. Doch Baldon ist keine Regisseurin, sondern eine Kuratorin. Was wie die Versatzstücke einer Hollywoodkulisse anmutet, besteht aus Beiträgen von fünf Künstlern aus der Schweiz, den USA, Deutschland, Australien und Frankreich, die unabhängig voneinander entstanden.

Baldon führt damit in der mehrteiligen Ausstellungsreihe „level“, die das Parkhaus Treptow der Untersuchung kuratorischer Modelle widmet, exemplarisch vor, wie ein Kontext entsteht und Lesarten vorgibt. Wie bei der Babelsberger Studiotour werden Berufsgeheimnisse ausgestellt.

Doch die Offensichtlichkeit, in der dies geschieht, ist der eigentliche Trick. Denn man ahnt sehr wohl, dass sich keine der Arbeiten auf ihr Western-Outfit reduzieren lässt. Die zum Klischee erstarrten Bilder sind für die Malerin Britta Lumer bloß ein Ausgangspunkt, um Verlustängste und Mangel an Sicherheiten zu beschreiben. Ihr Malstil hat die Aura des Manischen und Depressiven. Ihr Bild „Ranch“ platziert die Gebäude in rustikaler Holzbauweise in einem toten, blaugrauen Raum, der dem Image der Ursprünglichkeit widerspricht: Ein Mann, eine Axt und der unbedingte Wille zum Kampf gegen die Wildnis wirken reichlich deplatziert in einer Gegend, in der kein Halm mehr wächst. Der bekannteste Ausstellungsteilnehmer ist Sam Durant aus Los Angeles, der in seiner Skulptur „Partially Buried“ Chiffren von Kunst und Kult der 60er-/70er-Jahre auf makabre Weise mischt. Die aufgeworfene Erde und die Spiegel verweisen auf die Site-specific-Projekte von Robert Smithson, der Industriebrachen als Motiv entdeckte und dort das Ende vom Mythos unendlicher Ressourcen thematisierte. Durants Erdhügel haben genau die Größe von frisch aufgeworfenen Gräbern: Unverständliches Gebrabbel dringt heraus. Spezialisten vermögen die eine Stimme vielleicht Mick Jagger zuzuordnen, doch es könnte sich auch um das Gebrüll einer Viehauktion handeln. Auf jeden Fall ergreift einen Mitleid mit diesen Untoten, die noch im Grab mit ihrer Botschaft nicht zu Rande kommen. In der Schweiz hat jeder Reservist sein Gewehr im Schrank und die Schießstände liegen in reizvoller Landschaft.

Stefan Banzs aus Luzern hat sie fotografiert und damit sein Buch „Mord. Und andere Werke von Erich Hell“ illustriert. Da beschreibt Banzs die Kunst in witzigen Episoden als ein System, das nach den Regeln des Vampirismus dem Leben die Kraft wegsaugt. Einmal in die Maschine des Betriebs geschleust, entwickeln die Werke eine bedrohliche Eigenständigkeit, die mit den Intentionen des Künstlers kaum noch übereinstimmt.

Von pubertären Aufbruchsfantasien erzählen Ninon Liotets und Dominic Eichler in ihrem Video: Zwei Jungs heizen mit ihrem Auto im Kreis wie beim Autoscooter. Im Allgemeinen unterstellt man bildenden Künstlern einen Erfahrungshunger, der weniger nach wilden Pferden und quietschenden Reifen verlangt, denn nach intellektueller Reflektion unserer Sehnsüchte.

Die Künstler im Parkhaus versuchen einen Spagat zwischen beiden Ebenen, selbstironisch und in der Hoffnung, der Sterilität des White Cube zu entkommen. Von der ist man in den abgenutzten Räumen der Galerie allerdings so weit entfernt, dass die Bemühungen des Programms, nur ja kritischen Abstand zum etablierten Kunstbetrieb und seinen Konsumgewohnheiten zu halten, auch ein wenig kokett wirken.

KATRIN BETTINA MÜLLER

Bis 19. Mai, Galerie im Parkhaus, Puschkinallee 5, Treptow, Mittwoch bis Samstag, 15–19 Uhr