Afrika bleibt auf Verliererstraße

Unctad-Experten warnen in ihrem Entwicklungsbericht vor der wirtschaftlichen Flaute in den USA. Um das Verhältnis von Nord und Süd zu verbessern, fordern sie ein neues Wechselkurssystem und ein anderes internationales Schuldenmanagement
aus Berlin KATHARINA KOUFEN

Egal, ob Finanzkrise, Wirtschaftsflaute oder Schuldenmanagement: Der Blickwinkel, aus dem heraus Lösungen gesucht werden, geht immer noch viel zu stark von Nord nach Süd. Das kritisiert die Handels- und Entwicklungsorganisation der Vereinten Nationen (Unctad).

Beispiel Finanzkrise: Seit dem Währungscrash in Asien und Brasilien 1997 und 1998 werde generell unterstellt, dass „die Ursachen der Krise in erster Linie in den betroffenen Ländern selbst zu suchen sind“, heißt es im Handels- und Entwicklungsbericht 2001, den die Unctad gestern in Genf vorgestellt hat. Welche Rolle dagegen die Regierungen, Banken und Zentralbanken der Industrieländer spielten, finde kaum Berücksichtigung. „Statt weltweite Kontrollmechanismen einzuführen, gibt es bisher eine sehr einseitige Fokussierung auf Reformen in den Entwicklungsländern.“ So seien lediglich die von der jüngsten Krise betroffenen Länder aufgefordert worden, „strikte Standards einzuhalten, die Transparenz in der Wirtschaftspolitik zu vergrößern und Währungsreserven einzuführen“. Auch sollten sie „freiwillige Vereinbarungen“ mit den privaten Gläubigern treffen, „um diese in die Krisenbewältigung einzubeziehen“.

Das würde bedeuten, dass Banken oder Aktienfonds künfig selbst für ihre Verluste geradestehen und nicht länger auf den Internationalen Währungsfonds (IWF) vertrauen können. Denn bis jetzt ist das die gängige Praxis: Geraten wichtige Geldgeber wie zum Beispiel die Citibank ins Strudeln, weil ein großer Schuldner, etwa die brasilianische Regierung, vor der Zahlungsunfähigkeit steht, dann unterstüzt der IWF Brasilien mit einem „Hilfspaket“. Vorteil: Brasiliens Pleite ist zumindest kurzfristig abgewendet, und die Krise breitet sich nicht via Citibank auf der ganzen Welt aus. Nachteil: Steuergelder werden dazu verwendet, gut situierte Bänker und Geldanleger vor Verlusten zu bewahren. Und: Die Risikobereitschaft solcher Anleger wird dadurch künstlich hochgeschraubt.

Die Unctad-Ökonomen schlagen stattdessen vor, die Schwankungen auf den Finanzmärkten durch ein neues Wechselkurssystem in den Griff zu bekommen. Die Fixierung auf entweder völlig feste oder völlig flexible Wechselkurse sei falsch. Sinnvoller seien „anpassungsfähige Zielbänder zwischen den drei großen Währungen bei gleichzeitiger Verpflichtung, diese mit Interventionen zu verteidigen“. Auch sei es für Schwellen- und Entwicklungsländer womöglich ratsamer, regionale Bündnisse nach Euro-Vorbild zu gründen, statt ihre Währungen um jeden Preis an den überbewerteten Dollar zu binden.

Scharfe Kritik üben die Unctad-Experten auch am internationalen Schuldenmanagement: Viel zu häufig würden Kredite an Entwicklungsländer nur zu dem Zweck vergeben, andere Kredite zurückzuzahlen. Besser sei es, Schuldenmoratorien einzuführen. Solche Zahlungsaufschübe müssten jedoch von einem unabhängigen Experterat überwacht werden, fordert die Unctad. „Da der IWF selbst Gläubiger ist, sollte er diese Rolle nicht übernehmen.“

Die reichen Länder warnt die Unctad, die Wirtschaftsflaute in den USA nicht zu unterschätzen. Jetzt, da die Europäer ihre Haushalte saniert hätten und es keinen Inflationsdruck mehr gebe, „ist der Weg frei für einen Wechsel hin zu expansiver Wirtschaftspolitik“. Europa soll zur Lokomotive der Weltwirtschaft werden. Sonst könne die Flaute leicht auch auf Schwellenländer wie Mexiko oder China übergreifen, deren Exporte zu einem großen Teil in die USA gehen.

Im letzen Jahr allerdings waren die Schwellenländer die Gewinner des Booms: Zum ersten Mall „seit dem Fall der Berliner Mauer“, so der Bericht, sei das Bruttosozialprodukt überall gewachsen. Verlierer war Afrika: Mit Ausnahme der Ölexporteure litten die Länder dort besonders stark unter den fallenden Rohstoffpreisen. Auf dem gesamten Kontinent sei die Wirtschaft nur um 3,5 Prozent gewachsen – was für Entwicklungsländer wenig ist. Die Unctad warnt: „Das bleibt weit hinter dem zurück, was für die Bekämpfung der Armut nötig wäre.“

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