Jüngstes Britisches Independent-Kino

■ Am Mittwoch startet mit „House!“ und einer Party im 3001 die Reihe Britspotting

Die Wege des Pop-Appeal sind verschlungen. Waren und sind die Hobbys Train-, beziehungsweise Planespotting in Britannien die Inbegriffe des uncoolsten männlichen Nerdtums überhaupt, ist Trainspotting hier zu Lande seit Danny Boyles Film zu einem Synonym für lässige Britpop-Lebensart geworden. Diesen Umstand hat sich das ehemalige „British Independent Film Festival“ in Berlin zu Nutze gemacht, sich in „Britspotting“ umbenannt und beschlossen, sich dieses Jahr auch über die ehemalige Mauerstadt hinaus zu wagen.

Im zweiten Jahr seines Bestehens exportiert das Festival, das sich als Showcase für neueste britische Filme ohne deutschen Verleih versteht, einen Teil seines umfangreichen Programms nach Hamburg. Eher als Filmreihe, ohne die in Berlin zum Programm gehörenden Regisseurbesuche, Marktplätze und andere Rahmenveranstaltungen bietet das 3001 vom 2. bis zum 9. Mai eine abgespeckte, aber auf das Wesentliche konzentrierte Version dieser Veranstaltung: sieben Spielfilme und ein Kurzfilmprogramm, die zum größten Teil auch in Britannien noch in keinem Kino zu sehen waren und die alle ohne die sonst häufigen BBC- oder Film Four-Fernsehgelder und ohne große Budgets entstanden sind. Einzig die auf der Insel immer noch relativ neue National Lottery hat hier und da dem Sorgenkind heimisches Kino unter die Arme gegriffen.

Entsprechend heterogen ist das Programm. Die monty-pythonesk-überdrehte und ein wenig anachronistische Fantasy-Komödie Mumbo Jumbo, den filmstudentisch anmutenden Offending Angels und das neueste sozialrealistische Werk des umtriebigen Amber-Kollektivs, Like Father, sowie die vier weiteren Filme eint einzig ihre geografische Herkunft.

Eröffnet wird die Reihe am Mittwoch mit der ambitioniertesten und teuersten Produktion, Julian Kemps Komödie House!. Der Bezug zum namensgebenden schottischen Drogenfilm wird hier über Kelly Macdonald noch einmal betont. Sie spielt, nachdem ihr auf den Plakaten zu Trainspotting großzügig Raum gegeben wurde, obwohl sie im Film selbst nur zehn Minuten hat, in House! die Hauptrolle. Linda ist Barfrau in einer angestaubten Bingohalle irgendwo in Wales, die in ihrer mageren Existenz durch die Eröffnung eines Bingo-Megaplex im Nachbarkaff bedroht ist. Auf der Suche nach einer Möglichkeit, den Kleinbetrieb zu retten, entdeckt sie nach und nach ihre hellseherischen Fähigkeiten und kann diese schließlich auch gewinnbringend einsetzen. Der Überlebenskampf in der britischen Peripherie, ausgeschmückt mit ExzentrikerInnen, grässlichen Wohnzimmereinrich-tungen und ausgeprägten lokalen Akzenten war aber leider schon zu häufig als Thema der hier zu Lande als „typisch britischen“ Komödie rezipierten Filme zu sehen. Auch der Schuss Magischer Realismus kann House! trotz durchaus hübscher Momente nicht vom Durchschnitt abheben.

Analog zu den Instant-Nudelsuppen des Japanischen Film Festivals werden im Anschluss an den Film im 3001 dann noch Cornish Pasties gereicht, sozusagen englische Ravioli mit Transport-Griff, die den schlechten Ruf dortiger Lebensmittel durchaus korrigieren könnten. Nicht zu revidieren, sondern erst neu zu schaffen sind Urteile über das britische Independent-Kino in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen. Und dazu leistet „Britspotting“ einen denkbar spannenden Beitrag. Georg F. Harsch

Eröffnung: Mi, 20.30 Uhr mit House!, anschließend Party