Champagner für alle

Die Bürgerschaft beschloss gestern den Verkauf der Roten Flora an den Immobilienkaufmann Klausmartin Kretschmer  ■ Von Peter Ahrens

„Ein Verkauf ist ein ganz normales kapitalistisches Geschäft“, sagt Regenbogen-Abgeordnete Susanne Uhl und fühlt sich dabei mit Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) „völlig einig“. Nicht normal ist dagegen das Objekt, das seit gestern nach dem Beschluss der Hamburger Bürgerschaft einen neuen Besitzer hat: Die Rote Flora gehört jetzt nicht mehr der Stadt, sondern dem Immobilienkaufmann Klausmartin Kretschmer. Die CDU trauert ihrem Wahlkampfschlager hinterher, während der Senat sich „ganz entspannt“ gibt.

Aber die Union gibt noch nicht auf. Schließlich hatte es am Montagabend Auseinandersetzungen mit der Polizei um die Kretschmer-Immobilie der River Kasematten gegeben, und Fraktionschef Ole von Beust mühte sich unredlich, daraus politisches Kapital zu schlagen. „Die Flora bleibt ein Symbol für den rechtsfreien Raum und die Floristen werden auch künftig jede Möglichkeit nutzen, gewalttätig zu werden“, haute er auf den Putz, „warum sollte ein Wechsel der Eigentumsverhältnisse daran etwas ändern?“ Der Verkauf habe für den Senat nur den Grund, „sich nach zehnjährigem Weggucken mit einem politischen Dumpingpreis freizukaufen“.

Für seinen Kollegen von der SPD, Holger Christier, hat der Kaufpreis von 375.000 Mark „überhaupt nix mit Schnäppchen“ zu tun: „Bei solchen Nutzern und einer solchen Immobilie würde doch sonst niemand einen halben Volvo in so ein Projekt investieren“, mutmaßte der Fraktionsvorsitzende. Für Christier trägt der Verkauf vielmehr „zur Reduzierung von Feindbildern“ bei, Feindbilder, die der Sozialdemokrat vor allem bei den Floristen verortet. „Ideologische Bestandswahrung aus den 70er Jahren“ finde dort statt, für die er keinerlei Sympathie hege.

Susanne Uhl forderte den Senat dagegen auf, den Floristen dankbar zu sein. Denn dass das Schanzenviertel heute allenthalben für seine Struktur gelobt werde, sei dem Protest gegen das Phantom der Oper vor zehn Jahren geschuldet: „Sonst hätten wir heute einen noch gieriger aufgewerteten Stadtteil.“ Skepsis gegenüber den Plänen des Käufers Kretschmer hält sie für angebracht: „Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, diesem selbstloses Mäzenatentum zu unterstellen.“ Der Konflikt um die Party am Hafen habe das gezeigt.

Die Umstände der MediaNight am Montag riefen auch bei dem stellvertretenden GAL-Fraktionschef Martin Schmidt Kopfschütteln hervor: „Warum wurde eigentlich nicht auf beiden Seiten der Barrikaden Champagner ausgeschenkt, statt einfallslos die Polizei zu rufen.“ Für CDU-Florafresser Karl-Heinz Warnholtz war das zuviel: „Sie werden schon am kommenden Montag in der Nacht zum ersten Mai erleben, wozu die Flo-risten fähig sind.“ Kommentar Christiers dazu: „Man kann auch leicht ein Viertel erst in Brand setzen, um dann als erster nach der Feuerwehr zu rufen.“