Mein Freund, der Zug, ist tot

■ Der Interregio steht auf der roten Liste der bedrohten Zugarten / Die PDS fährt mit einem der letzten Exemplare durch Bremen, bald gibt es nur noch Bimmelbahnen

„Ein menschlicher Zug“ und „Großlimousine mit eingebauter Raststätte“ hieß er bei seiner Einführung 1988, jetzt stirbt der gute alte Interregio (IR) langsam den Heldentod. Verkehrsverbände, der Städtetag und die Grünen heulen auf. Und was macht die PDS? Die West-Sozialisten fahren selbst Interregio, eine Demonstrationstour mit dem IR 2483 von Emden nach Magdeburg. Der IR 2483 wird ab dem Fahrplanwechsel am 10. Juni nur noch von Oldenburg starten und dann nach Dresden statt nach Berlin weiterfahren. Experten fürchten, dass er demnächst ganz gestrichen wird. Aber – was heißt das eigentlich?

Fast wäre ja noch die Bahnpolizei gekommen. Den Interregio-Aktivisten wäre ein bisschen Bambule zwar ganz recht gewesen, aber schließlich einigte man sich doch mit einem verzweifelten Schaffner, die PDS-Plakate im Zug abzuhängen. Also wirklich keine Bürgerbahn.

„In Leer war schon alles brechend voll, jetzt liegt die Auslastung bei 70 bis 80 Prozent“, erklärt die PDS-Bundestagsabgeordnete Heidi Lippmann, als der IR 2483 mit 160 Sachen durch Achim rauscht. Dabei schaut sie in ein Faltblatt mit dem Slogan „Ihr Interregio nach Nirgendwo“. Hier stehn die Fakten: Jedes Jahr kappt die Bahn 400 Kilometer Schiene, bald gibt's mit der Bahncard nur noch 25 statt 50 Prozent Rabatt, seit 1990 hat sich die Zahl der Beschäftigten auf 225.000 mehr als halbiert. Und jetzt will die Bahnauch noch die defizitären InterRegios streichen und vor allem durch Regionalexpresszüge (die die Bundesländer bestellen und bezahlen müssen), Intercitys und ICEs ersetzen. „Wenn die Leute jetzt auf den Regionalexpress umsteigen sollen, kommen noch mehr Pendler mit dem Auto nach Bremen. Dann haben wir den Salat“, entrüstet sich Bremens PDS-Chef Klaus Rainer Rupp. „Der Regionalexpress dauert viel länger: So ein Ding hält ja an jeder Milchkanne.“

Wenn der IR wegstürbe, wären ganze Regionen nicht mehr richtig an den Fernverkehr angebunden: Bremerhaven, Ostfriesland, auch der Interregio zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven steht auf der roten Liste der bedrohten Zugarten. „Es gibt jetzt schon keine Verbindung mehr nach Aurich“, sagt Lippmann. Ihr Bremer Kollege Rupp prangert das ganze Konzept von Bahnchef Hartmut Mehdorn an: „Alles, was keine Kohle bringt, wird geschlossen. Dabei ist der IR ökologisch sinnvoll und die Leute nutzen ihn.“

Auch die Pläne von Verkehrsminister Bodewig, mehr Strecken an Privatunternehmen zu vergeben, sind nicht nach Rupps Geschmack: „Privatbahnen wie die Osthannoverische arbeiten mit Dumpinglöhnen. Außerdem wird es über kurz oder lang ein Qualitätsproblem geben. Unfälle sind die Folge.“

Während die West-Sozialisten in Hannover weiter zur großen PDS-Interregio-Kundgebung nach Magdeburg sausen, machen wir den Praxistest: Rückfahrt nach Bremen mit dem Regionalexpress, der IR-Alternative der Zukunft.

Um 10.47 Uhr schnarcht der Grafitti-verdreckte RE 25930 in Hannover Hauptbahnhof los. Eine Schlafbahn, ungemütlich, muffig und unmodern. Die Heizung ist schweißtreibend heiß. Das ist noch nicht alles: Angeblich fährt der RE 140 Spitze – aber vermutlich nur, wenn die Passagiere schieben helfen. Unser Testzug hält siebenmal, bevor er in Bremen Hbf einzuckelt. Dauer: 1 Stunde, 24 Minuten.

Der blau-türkise Interregio dagegen bot ziemlich moderne Züge, recht sauber, zwei Haltepunkte in Verden und Nienburg. Dauer: 1 Stunde, 5 Minuten.

Wegen solcher Mängel im Vergleich zum InterRegio fährt auch kaum jemand Regionalexpress. Aber das wird sich demnächst wahrscheinlich ändern.

ksc