Leichtes, aber nicht Seichtes

Der Rundfunkrat des WDR debattierte über sein Metropolenfernsehen und mal wieder über Kirch

von ARNO FRANK

Wenn sich der Rundfunkrat des WDR zusammensetzt, dann geschieht das in der Regel hinter gut verschlossenen Türen. Sollte das Gremium mal öffentlich tagen, dann höchstens, wenn wichtige Entscheidungen anstehen oder das Schicksal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf dem Spiel steht. So auch am Dienstag dieser Woche, als zwar auch „Grundsätze für die journalistische Ethik“ formuliert wurden, hauptsächlich aber die Qualität des WDR-„Metropolenfernsehens“ zur Debatte stand.

Um sich frühzeitig gegen das geplante Ballungsraumfernsehen der Zeitungsverleger (NRW-TV) im Markt zu positionieren, sind „WDRpunktDortmund“ und „WDRpunktKöln“ am 6. November 2000 auf Sendung gegangen – und haben sich seitdem nicht nur Freunde gemacht. Unter Beschuss stand in der 418. Sitzung des Rundfunkrats vor allem „WDRpunktKöln“, das unter seinem Leiter Jürgen Kleikamp, einem ehemaligen Bild-Redakteur, nach dem Geschmack des Gremiums allzu stark ins Boulevardeske abdriftet.

Zwar jonglierte WDR-Programmdirektor Jörn Klamroth mit erfreulichen Zahlen und betonte, man produziere kostengünstig, schnell und mit dem Standard des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Doch Karin Junker, u. a. Vorsitzende im Programmausschuss, hielt vehement dagegen: „Wir möchten ja, dass der WDR auf Erfolgskurs geht“, pflichtete sie Klamroth bei, doch dürfe dies nicht auf Kosten der Qualität gehen. Gewiss wolle man „einen vertretbaren Boulevardstil, eine jüngere Farbe, nicht allzu schwere Kost“, doch bedeute leichte Kost nicht gleich seichte Kost. Die Liste der Klagen ist lang.

Zu wenig Politik und Kultur werde da geboten, das angepeilte Niveau oft unterboten – und offenkundig mangele es den „WDRpunktKöln“-Mitarbeitern an Ortskenntnis – weil sie dem Vernehmen nach aus Kleikamps altem Studio Essen herangekarrt würden, statt in Köln rekrutiert zu werden. Was den WDR-Chefredakteur Brand zur der kuriosen Bemerkung veranlasste, die meisten Mitarbeiter hätten „zumindest irgendwann in Köln gelebt oder studiert“. Klamroth wurde deutlicher und bezeichnete den Vorwurf als „erstunken und erlogen“.

Auf Protest stieß auch ein Bericht, in dem eine mit gesundheitsgefährdenden Baustoffen belastete Schule als „Giftschule“ bezeichnet worden war – für viele Mitglieder des Gremiums deutlich zu reißerisch. Was wiederum Pleitgen „zum Schutz meiner jungen Mitarbeiter“ nicht unwidersprochen lassen wollte: Er verwies beispielsweise auf einen Bericht über eine Flirtschule, ein „schwieriges Thema, schön gemacht, gerade im Frühling“. Und obwohl Klamroth sekundierte, man betreibe keineswegs „Krawall- und Blutberichterstattung“, mussten sich die Verantwortlichen von Karin Junker sagen lassen, dass das Stadtfernsehen „immer noch ein Pilotprojekt“ sei.

Den Klartext dazu formulierte der Vorsitzende des Rundfunkrats, Reinhard Grätz: Der Sender müsse damit leben, dass „auch die Rundfunkräte investigativ“ tätig würden, will heißen: Die beanstandeten Sendungen sollen im Gremium noch einmal intensiv geprüft werden, schließlich wolle man die Pilotphase spätestens Ende 2001 abschließen, bevor 2002 die Konkurrenz kommt – mit Leo Kirch im Beiboot der Zeitungsverleger.

Am Mogul aus München und seinen WM-Übertragungsrechten entzündete sich denn auch der zweite nennenswerte Streit: Dass Leo Kirch im Gegenzug für die Übertragungsrechte Zugriff auf die umfangreichen, gut gehüteten WDR-Archive verlangt, bereitet nicht nur Nicola Hirsch „Bauchschmerzen“, die für den DGB im Rundfunkrat sitzt.

Abgesehen von den enormen Kosten, die die ARD an Kirch zu zahlen bereit ist, könnte der Streit um die wertvollen Bild- und Tonarchive der Anstalten zum Stolperstein für die Nachverhandlungen um die WM-Übertragungungsrechte werden. Pleitgen nahm’s gelassen: „Wenn es nicht gelingt, bricht auch nicht der Himmel ein.“