■ Urdrüs wahre Kolumne
: Senioren-Power im Großmarkt

Ja, kann man denn mit den alten Menschen jeden Unfug machen? Die auch am Staatstropf partizipierende Bremer Heimstiftung eröffnete kürzlich das erste Senioren-Fitnesscenter Deutschlands und damit sich selbst Schwerbehinderte nicht vor solch organisiertem Körperwahn drücken können, weisen die Initiatoren des „Vita-Treff“ ausdrücklich darauf hin, dass auch Rollstuhlfahrer barrierefrei einlaufen können, um Ergometer, Balance-Trainer und ähnliches zu erreichen. Und wie um den Zynismus auf die Spitze zu treiben, hat man die Muckibude samt „programmierter Karte zur individuellen Einstellung in der Testphase“ auch noch in die „Residenz Riensberg“ integriert. Wenn jetzt noch das Bestattungsinsitut GE BE IN als Sponsor auftritt, wissen wir, wonach der Braten riecht! Immerhin: dass auch Kegelbahn und Kneipe und „separate Umkleidekabinen“ zum Konzept gehören, mag Chancen auf eine hedonistische Neuorientierung dieses Quälariums durch lustbetonte Vitalinskis erschließen ...

„Die Sesselfurzer vonner Stadtplanung wissen doch gar nicht, wieviel Meter Fahrbahndecke ein einziger pensionierter Straßenbauer in ein paar Stunden unter die Spitzhacke nehmen kann! Und hier anner kleinen Küste wohnen eine ganze Menge davon.“ Mit solch kühnen Worten erläuterte mir ein rüstiger Rentner kürzlich unweit von Iburgs Wurstpavillon seinen Optimismus im Hinblick auf die Parole „Walle wehrt sich“. Am Ende stiften die Betreiber der lebensfeindlichen Großmarkt-und-so-weiter-Projekte aus dem Dunstkreis der gemeingefährlichen Wirtschaftsförderung mit dem Versuch des Durchpeitschens ihres Größenwahns noch ein Senioren-Fitness-Programm, das diesen Namen wirklich verdient! Übrigens wird morgen zwischen 12 und 15 Uhr in der GaDeWe in der Reuterstraße mit Gläserklirren und Liedersingen die kämpferisch-internationalistische Musikalienhandlung Utop-Ton samt Online-Shop (www.utopton.de) eröffnet: Gute Gelegenheit, mal für die kommenden Kämpfe nach den Noten der revolutionären Klassiker „Baggerführer Willibald“ und „Fritz der Traktorist“ zu suchen, die sich für eine Neubetextung im Zuge der anstehenden Volkskämpfe im Heimatviertel, am Hafenrand und auf Parzelle bestens eignen.

Die schönste Kurz-Argumentation gegen die hundsföttische Profession des Soldaten war kürzlich der taz-Meldung zum Kameradschaftsprogramm der örtlichen Feldjäger zu entnehmen: Wer beim gemeinsamen Knippessen zur Jahreshauptversammlung als sinnstiftende Aktivität auf Spargelessen im Mai, Keilerschießen im Juni, Grillfete in Scheeßel und Lands-knechtsbiwak im September verweisen muss, weil er die Schnauze einfach nicht vollkriegt vom Muschkoten-Leben, dem ist in dieser Welt nun wirklich nicht mehr zu helfen ...

Politisches Marketing für den europäischen Gedanken will Europastaatsrat Erik Bettermann vom 29. April bis 7. Mai zwischen Bürgerpark und Rathaus betreiben und sofern dies dem Kennenlernen von Eeten und Drinken sowie Sang und Klang der Nachbarvölker geht, dies bei moderatem Preisgefüge und endlich mal ohne Mitwirkung von Citizen Schulenberg über die Bühne geht, mag das ja ganz nett sein können, aber warum die Kinder schon wieder auf einer so genannten Hüpfburg konzentriert werden, mag nur der für sinnvoll halten, der den bei ähnlicher Gelegenheit gehörten Spruch der achtjährigen Nadine aus der Bremerhavener Straße nicht kennt oder nicht verstehen will: „Wenn da wieder so'ne blöde Hüpfburg steht, ist das nur ein Fest für Lehrer und andere Spacken und vielleicht noch die Kinder davon.“

Bei einem Besuch auf der Hannover Messe entdeckte ich auf der Suche nach besonderen Offenbarungen des Zeitgeists unweit der Präsentation des Standorts Bremen auch die etwas abseitig gelegene Koje der sibirischen Wirtschaftsförderung, wo sich der Aufmacher der sibirischen Messezeitung so las: „Neue Marketingphilosophie des Unternehmens Bolschevik“, über das es dann hämetriefend heißt: „Das älteste Holzverarbeitungsunternehmen in Sibirien BOLSCHEVIK hat sich in die neue Marktordnung sachkundig eingefügt. Die Belegschaft bekennt sich zur neuen marktwirtschaftlichen Philosophie... Die sich daraus ergebende Produktionssteigerung wird Gewinn und Sozialleistungen bringen.“

In der Tat, eine kühne Vision, die mir fast alles über den Stand der Dinge in dieser Welt so kurz vorm 1. Mai 2001 auszudrücken scheint. Und fordere ich den Maibock zum letzten Gefecht heraus – es muss doch Frühling werden! Ist im ver.di-Jahr in jedem Fall die zentrale Losung von

Ulrich „Held der Arbeit“ Reineking