Egalia in weiter Ferne

■ Die Töchter Bremens untersuchten gestern anlässlich des bundesweiten Girls' Day den Arbeitsplatz ihrer Väter/ Die meisten waren bei Airbus, aber sonst war nicht viel los

Eine ideale Freifläche für Kickboards: große helle Räume, ein hindernisloser Laminatboden, wenig Mobiliar. Luca und Anina bahnen sich schwungvoll auf zwei Minirädern den Weg durch die Bürosessel der Bremer Informationsgesellschaft mbH. Auch beruflich verbindet beide Schülerinnen dasselbe Ziel. Die achtjährige Luca möchte wie ihre Mutter „sowas mit Computern machen“. Ebenso ihre ein Jahr ältere Freundin Anina, obwohl sie noch vor ein paar Jahren unbedingt Apothekerin werden wollte. „Ich wollte gerne mit Kosmetik arbeiten“, erklärt Anina ihren Berufswunsch, der doch so klassisch für Mädchen ist.

Anina ist eines von vielen Töchtern mit der rollentypischen Biografie, die anlässlich des bundesweiten „Girls' Day“ dazu ermuntert werden sollten, auch an technischen Berufen Gefallen zu finden. Doch dass gestern in Bremen der große Run auf die Arbeitsplätze der Väter stattfand, muss wohl relativiert werden.

„Sie werden es kaum glauben“, kichert ein Interessent der Kampagne in den Hörer, „als ich beim Bildungssenat nachfragte, wusste man dort im ersten Moment nichts vom Girls' Day.“ Anscheinend ist es mit der Transparenz nicht weit her. Das bestätigt ebenfalls Nicole Buchholz, Designmanagerin bei der Informationsgesellschaft mbH. Erst letzten Freitag begann sie unter den Bremer Girls für ihr IT-Unternehmen zu werben. Den Hinweis auf die Kampagne fand sie zufällig im Internet. Daraufhin rekrutierte sie ihre oben genannte Tochter Luca, die wiederum ihre Freundin Anina anwarb. Das klingt eher nach privatem Unterfangen als bundesweiter Kampagne.

Aber wo sind die Väter? War das Klassenziel „Väter zeigen ihren Töchtern...“ verfehlt? „Ich zeig' euch jetzt mal, wie so'n komischer Designer arbeitet“, beginnt Jan Jedding seine Ausführungen. Jedding arbeitet ebenfalls bei der Informationsgesellschaft und konnte seine Tochter Franziska einen Tag lang für die Arbeit vorm Computer begeistern. „Schule frei für Mädchen“ – Franziska wiederum trug die frohe Botschaft an Nola und ihrer Nachbarin Marieke weiter – die neue Web-Crew war komplett.

So richtig für die Technik sind die fünf Mädchen dann doch nicht zu begeistern. Besichtigungstermin im Keller: Beim Anblick der Provider-Hardware des IT-Unternehmens – ein Schrank voller blinkender Lämpchen, Kästchen plus Kabeldschungel – sinkt die Stimmung etwas. „Gibt's gleich was zu essen?“, fangen die ersten an zu meutern und hopsen von einem Bein aufs andere.

Die Stimmung ist locker. Es gibt Pizza, Apfelsaft und jeder duzt jeden. Jan Jedding gehört mit 35 Jahren zu den Ältesten des Unternehmens, in dem drei von zehn Mitarbeitern weiblich sind. Es wäre gelogen, hier das Patriarchat versammelt zu sehen. Alles eher Väter, die ihren Töchtern auch mal die Bohrmaschine anvertrauen würden.

Die Töchter dürfen indes nicht nur über Schultern schauen, sondern auch mal richtig arbeiten. Wie man mit einer Digitalkamera arbeitet, lernen die Mädchen. Wie man Fotos am Bildschirm bearbeiten kann, wie man die fertigen Bilder ins Netz stellt und und und. Das Ergebnis des Girls' Day wird zum krönenden Abschluss mit einem Internetauftritt gefeiert.

Marieke ist mit 15 Jahren die älteste Teilnehmerin. So richtig gefreut hat sie sich nicht über den schulfreien Tag. „Morgen schreibe ich Mathe“, erzählt sie und verweist stolz darauf, dass sie unter ihren Mitschülerinnen in Mathe noch am besten abschneidet. Was die Lehrer ihrer Schule betrifft, gab es auch hier hochgezogene Augenbrauen. Nur einer ihrer Lehrer wuss-te über den Tag der Töchter Bescheid.

Am größten war der Andrang gestern bei EADS Airbus, die etwa 150 Töchtern den Blick in die Männerwelt gewährten. STN Atlas Elektronik nahm immerhin 70 Anmeldungen entgegen. Stichproben bei Kraft Foods und Kellogg verliefen eher negativ. „Nie gehört“ und „Machen wir nicht“, hieß es.

Egalia liegt noch in weiter Ferne. Ina Stelljes