Töchter und Technik: Gemischte Gefühle

Zum „Girls’ Day“ begleiteten Mädchen Eltern zur Arbeit, um technische Berufe kennen zu lernen. Purer Aktionismus?

HAMBURG taz ■ Kleine Mädchen glauben noch, dass ihnen die ganze Berufswelt offen steht, große Mädchen werden dann aber doch Friseurin, Verkäuferin oder Arzthelferin. Dass etwa ein Drittel aller weiblichen Auszubildenden sich für fünf frauentypische Dienstleistungsberufe entscheidet, daran sollte der bundesweite gestrige „Girls’ Day“ etwas ändern. 10- bis 15-jährige Mädchen konnten sich vom Unterricht befreien lassen und Eltern, Onkel, Tanten oder Freunde an deren Arbeitsplatz begleiten.

Die Hamburgerin Katharina Kirchhoff etwa ist mit ihrem Vater ins Krankenhaus gefahren. Der ist Dermatologe im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg. Dass seine Tochter heute da ist, macht seinen ohnehin hektischen Tag noch stressiger. Katharina kann nicht den ganzen Tag neben ihm herlaufen. „Ich muss immer die Patienten fragen“, erklärt Altfrid Kirchhoff. Gerade kommt er von einer Operation. Bringt Katharina zu einer Kollegin, die Allergien testet, er muss wieder in den OP. Zugucken darf Katharina hier nicht: „Wir können nicht extra jemand abstellen, der aufpasst, dass sie nicht umkippt.“ „Toll“ findet Katharina es hier. Aber Ärztin werden? Nein, „lieber Rechtsanwältin“.

Während die Mädchen Berufe erlebten, saßen die Jungs in der Schule und sprachen über Berufe und Geschlechterrollen. Nicht nur deshalb war der „TöchterTag“, wie er in Hamburg heißt, im Vorfeld auf heftige Kritik, vor allem von der Lehrerkammer, gestoßen. Was sinnvollerweise mit den Jungs passieren sollte, fragten die Pädagogen, und was mit den Mädchen, deren Eltern gar keine oder weniger spannende Berufe haben? Außerdem binde man das Thema Berufsbildung auch jetzt schon durchaus sinnvoll in den Unterricht ein.

In Hamburg beteiligten sich gestern etwa 1.000 Mädchen am „TöchterTag“. Im restlichen Bundesgebiet war die Beteiligung weniger rege, etwa 1.700 Mädchen sollen das Angebot insgesamt genutzt haben. Großbetriebe wie EADS Airbus, Deutsche Telekom, Lufthansa und die Bahn nutzten ihn, sich Mädchen und Medien zu präsentieren. Zu den zahlreichen Töchtern, die doch in der Schule saßen, gehört Dzenefa vom Hamburger Gymnasium Allee: „Mein Vater ist Kfz-Mechaniker, der hätte keine Zeit für mich gehabt.“ Sieben Mädchen in ihrer Klasse sei es ebenso gegangen. „Das Ganze ist eine Aktion für Gutsituierte“, sagt denn auch eine Schulleiterin in Hamburg-St. Georg, „Die Aktion ist an unseren Mädchen komplett vorbeigegangen.“

SANDRA WILSDORF