Mehr Bass, mehr Beton

Gehe, treibe, let it flow: Der rauschende Elektro-Pop der finnischen Op:l Bastards ist ein zeitgemäßes und wellenförmiges Grollen im Durchlauferhitzer der Metropolen

Die Städte wachsen in den Himmel. Riesige, sich immer weiter weitende Flächen aus Beton, Neonreklamelichter, durchzogen von Streifen aus Asphalt, durch die Tag und Nacht Lichtblitze rasen. Der Sound der Städte ist ein fernes, wellenförmiges, langsam anziehendes Grollen: stampfende Rhythmen, dumpfe, pumpende Basslinien, flirrende synthetische Sounds, eine tickende HiHat, wie eine Uhr. Dazu kommen Old-School-Elektronik, auf billig getrimmte Synthesizer, die wie eine abgetakelte Farfisaorgel klingen. Die gebrauchte Version natürlich, wie bei Op:l Bastards.

Denn die Wurzeln der finnischen Elektro-Pop-Band finden sich in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern, bei Cabaret Voltaire, Fad Gadget oder auch Sisters of Mercy und Suicide. Das ist Musik, um weite Strecken zurückzulegen, durch Schluchten aus Metall, Glas, Beton, Stein und Licht; Musik, um einzutauchen in eine Welt, die nicht homogen oder kalt ist – aber doch ohne Schmerz und Reflexion; Musik, die kein Gegenstück sucht oder findet, die nicht vergleicht oder sich abgrenzt, die einfach fließt und fließen lässt – gehe, treibe, let it flow.

Gleichwohl machen Op:l Bastards rastlose Musik, Wellen von Geschwindigkeit und Rausch. Melodien sucht man vergebens. Sie werden angedeutet. Angetupft, geviertelt und drangesetzt in diesen lauwarmen Elektromotorsound. Die Op:l Bastards wenden sich nicht den ausgefeilten Bögen zu; sie versuchen, kurz und interessant genug zu sein, um im Vorbeigehen wahrgenommen zu werden. Nicht mehr oder weniger. Ein kurzes Wahrnehmen bedeutet Sein: Jetzt und im Moment existierst du. Sekunden kommen und gehen, waren und werden, eine wie die andere. Nehmen wir eine bestimmte Sekunde heraus. Sagen wir z. B. die Sekunde Nr. 3.497.356 von 1986 sei etwas Besonderes gewesen. Who cares – it’s gone. Die Einheiten sind viel zu klein und zu schnell, um sie bewusst wahrzunehmen. Deswegen ist die Musik der Op:l Bastards absolut zeitgemäß, kann nur im Kontext des 21. Jahrhunderts funktionieren.

Trotzdem geht es nicht um einen Superhit, einen einzelnen Wiedererkennungsjingle, an dem das Gesicht der Band hängt, wie bei all den Boygroups oder Britneys. Es geht um den Sound. Die Elektronik soll und wird sich mit jedem Liveauftritt verändern. Sie wird dem Moment angepasst. Deswegen sind Op:l Bastards mehr Rockband als Depeche Mode oder viele andere Elektrocombos der letzten Jahre. „Scorpius“ und „Funking“, zwei frühe Singles aus dem letzten Jahr, sind mit auf dem neuen Album, das Anfang April erschienen ist. „The Job“ nennt es sich und hat 10 Stücke zu bieten, die eher ästhetisch clean, düster und atmosphärisch sind: Rennwagenfahrer eben mit Pilotenbrillen, an denen Plastikgitarren herunterhängen. PETER KÄMMERER

Op:l Bastards spielen am 1. Mai im Maria am Ostbahnhof, Straße der Pariser Kommune 9–13, Friedrichshain