Bemühungen um Waffenruhe

Ungeachtet zahlreicher Schießereien am Wochenende sagen Israelis und Palästinenser offenbar ein Ende der Gewalt zu. Die Eskalation der Feindseligkeiten führt bei einer deutlichen Mehrheit der Israelis zu einer Verhärtung ihrer Position

aus Jerusalem ANNE PONGER

Die ägyptische Führung hat sich gestern in Gesprächen mit dem israelischen Außenminister Schimon Peres um einen Waffenstillstand zwischen Israelis und Palästinensern bemüht. Präsident Hosni Mubarak zufolge soll eine Waffenruhe bereits zustande gekommen sein. Auf einer Pressekonferenz in Kairo sagte er, beide Seiten seien übereingekommen, den Waffenstillstand vier Wochen lang zu testen, ehe sie wieder Verhandlungen aufnehmen wollten. Wann der Waffenstillstand in Kraft treten soll, wurde nicht mitgeteilt.

Peres reiste am Mittag ins jordanische Akaba weiter, um auch König Abdallah Israels Antwort auf eine ägyptisch-jordanische Entspannungsinitiative vorzulegen. Der Vorschlag strebt die Eindämmung der Gewalt und die offizielle Rückkehr zu Verhandlungen an, die zu einer stufenweisen Endstatus-Lösung zwischen Israelis und Palästinensern führen soll. Am Abend wollte sich Peres zu Beratungen mit der US-Regierung nach Washington begeben.

Die diplomatischen Kontakte folgten einem ungewöhnlich blutigen Wochenende, nach dem Israel die zugesagten Erleichterungen für den palästinensischen Sektor zunächst aussetzte. Nur 1.500 – statt wie versprochen 11.000 – palästinensische Arbeiter durften gestern nach Israel einreisen. Palästinenserchef Jassir Arafat hatte am Wochenende seinen Befehl wiederholt, den Granatbeschuss israelischer Ziele einzustellen.

Überdies soll die Nationale Sicherheitsbehörde der Palästinenserverwaltung beschlossen haben, die Fatah-Miliz Tansim aufzulösen. Tansim hatte sich erstmals für Mörserattacken gegen israelische Ortschaften verantwortlich erklärt. Am Samstag war auch Hamas-Sprecher Abdel-Asis Rantissi in Gaza von palästinensischen Sicherheitskräften verhaftet worden, nachdem er zu verstärkten Mörserattacken aufgerufen hatte.

Am Sonntagmorgen wurde eine in einer Tasche versteckte Bombe im Zentrum der Mittelmeerstadt Netanja entschärft. Ein Sprengstoffauto explodierte neben einem israelischen Schulbus im Westjordanland, ohne dass jemand zu Schaden kam. Die Leiche des mutmaßlichen Selbstmordtäters wurde im Kofferraum gefunden.

Am Samstag war ein Palästinenser in Bethlehem durch israelische Schüsse getötet, sein fünfjähriger Sohn verwundet worden. In Hebron schossen Siedler in palästinensische Häuser. Die Siedlung Netzer Hasani im Gaza-Streifen kam erneut unter Mörserbeschuss, wobei fünf israelische Teenager verletzt wurden. Ein rumänischer Arbeiter wurde in einem Gemeinschaftstaxi mit einem Messer verletzt, weil der 19-jährige Attentäter aus Hebron ihn für einen Israeli hielt. Die tödlichen Schüsse auf einen israelischen Autofahrer auf einer zentralen israelischen Verkehrsachse am Samstagabend riefen größte Bestürzung hervor, weil es sich um eine neue Angriffsmethode zu handeln schien.

Die Eskalation der Feinseligkeiten hat nach Umfragen einen breiten israelischen Konsens zugunsten einem harten Vorgehen gegenüber den Palästinensern zur Folge gehabt. Nach einer Studie des „Zentrums für Friedensforschung“ an der Tel Aviver Universität sympathisierten 79 Prozent der repräsentativ Befragten mit Ariel Scharons Verweigerung von Verhandlungen, solange geschossen wird. 72 Prozent waren der Ansicht, zur Niederschlagung der Intifada müsse mehr Militär eingesetzt werden. Ein ebenso hoher Prozentsatz war überzeugt, die Palästinenser strebten weiter die Zerstörung Israels an. Nur 47 Prozent wären für Räumung von jüdischen Siedlungen, wenn damit ein Ende der Gewalt garantiert würde. 44 Prozent sprachen sich prinzipiell gegen Siedlungsevakuierungen aus.

Eine verhärtete Haltung dominiert selbst unter jenen, die Ehud Barak im Februar ihre Stimme gaben: 50 Prozent der Barak-Wähler sprachen sich für schärfere Militärmaßnahmen aus, 65 Prozent sind gegen Verhandlungen, solange geschossen wird, und 53 Prozent unterstützen Belagerung palästinensischer Ortschaften als Kollektivstrafe. Bei seinen Wählern genießt Scharon zwischen 80 und 90 Prozent Rückendeckung bei unterschiedlichen Demonstrationen militärischer Stärke. Die Wahl zum Ministerpräsidenten hatte er mit dem Versprechen gewonnen, die Intifada kompromisslos zu unterdrücken.