„Hei ho“ an jedwedem Tag in Illyrien

■ Mit Shakespeares „Was ihr wollt“ tut Wolfgang Hofmann tatsächlich was er will – quasi auftragsgemäß – und hieft sogar eine Jazz-Combo und Marlene Dietrich auf die Bühne des Bremerhavener Stadttheaters

Der Auftakt hat es in sich. Die beiden Schiffbrüchigen Sebastian und Viola werden nicht an Land gespült, sondern durch eine in der Rückwand auf halber Höhe angebrachte Röhre wie in einer Wasserrutsche auf die Bühne geworfen. Die neugeborenen Zwillinge ziehen sich erst einmal die nassen Kleider vom Leib und finden in den geretteten Koffern die Kleidung des jeweils anderen Geschlechts. So beginnt Wolfgang Hofmann im Stadttheater Bremerhaven Shakespeares „Was ihr wollt“ mit einem Clou.

Die neue Welt, in der sich die beiden Zwillingskinder wiederfinden, sieht aus wie das bauchige Innere eines Großseglers, dessen Wände mit dem handgemalten Prospekt eines fernen Eilands geschmückt sind. Wir sind in Illyrien, und die Außenwelt ist die Innenwelt. Alles ist verkehrt herum, aber die Umkehrung der Verhältnisse hat nichts Paradiesisches, sie spiegelt die Irrungen und Wirrungen des alltäglichen Beziehungschaos. So weit, so gut.

Bremerhavens Oberspielleiter Wolf-gang Hofmann setzt auf die laute, derbe, heftige Komik, er setzt auf die unfreiwilligen Narren in Shakespeares Liebesreigen, die Possenspieler namens Junker Tobias von Rülp (Guido Fuchs als wahrer Trunkenbold), Junker Christoph von Bleichenwang (Frerk Brockmeyer als tollpatschiger Geck) und Malvolio, dessen törichte Eitelkeit und blinde Selbstgefälligkeit ihn in die Umnachtung treibt, was Kay Krause wunderbar leicht und präzise in eine Figur übersetzt, die niemals ins Klamottige abstürzt und schließlich sogar tragikomische Züge annimmt.

So überzeugend die Regie (in dem stimmigen und starken Bild von Lars Peter) die komischen Seiten der Komödie unterstreicht, so blass und wenig konturiert wirken die anderen Figuren des Stücks, deren verzweifelte Liebesversuche auf eine andere Ebene des Stücks verweist.

Es ist die Melancholie, die sich jenseits der überschäumenden Lustigkeit kaum entfalten kann. Liegt es an den Darstellern, dass ihre Liebesworte kalt klingen? Dem Herzog Orsino (Ulrich Gall) ist die Sehnsucht nach der für ihn unerreichbaren Gräfin Olivia (Stefanie Knauer) nicht abzunehmen.

Wenig glaubwürdig tritt Sebastians Zwillingsschwester Viola (Selma Baldursson) auf, die als Mann verkleidet beim Herzog als Page dient und sich in ihren Herrn verliebt, während sich die von Orsino angebetete Gräfin in den Pagen verliebt.

Der Maschinerie der Liebes-Unordnung, die da in Gang gesetzt wird, fehlt nicht nur das Tempo der komischen Seiten, es fehlen die feinen Töne, als seien sie zwischen so viel rasantem Slapstick und heftigem Klamauk nicht mehr möglich.

Nur der Narr rettet dieses komödiantische Spektakel vor dem Absturz, hier ist es eine Närrin: Isabella Wolf tritt im Marlene-Dietrich-Look auf, weißer Smoking, weißer Zylinder, und sie singt mit leiser, gebrochener Stimme Shakespeares Lieder (meist) in Englisch, als seien es Dietrich-Songs, das alles live begleitet von einer Jazz-Combo (Piano, Bass, Schlagzeug), die auf einer Plattform ins Bild gefahren wird, „come away, come away, death, and in a sad cypress let me laid...“, sie ist der Narr, abgrundtief traurig, aber stets elegant und sehr leicht, ihr bleibt das Schlusslied von der unveränderbaren Welt und den unveränderbaren Menschen, das „hei ho, bei Regen und Wind“, das alte Lied, mit dem die Narren auf der Bühne dennoch „an jedwedem Tag erfreuen“ wollen. Hans Happel

weitere Vorstellungen: 2., 11., 13., 17., 26. Mai