Eine Stehparty in Pink

Bei der ersten bundesdeutschen „Pink Slip Party“ sollten sich Entlassene aus der Internetbranche mit Arbeitgebern treffen. Doch bei dem Happening in Oberschöneweide blieben am Montagabend Headhunter und Journalisten beinahe unter sich

von DANIEL FERSCH

Oberschöneweide ist nicht gerade die hipste Gegend von Berlin. Hier heißt die bestbesuchte Kneipe „Micha’s Brückenquelle“, und die Jugend des Bezirks trifft sich nachts vor dem Dönerladen. Doch am Montagabend sollte der verschlafene Kiez am Spreeufer zum Epizentrum der schillernden Internet (IT)-Branche werden – zumindest nach den Vorstellungen von Frank Lichtenberg. Der smarte Anzugträger vom Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco) eröffnete an diesem Abend in den Reinbeckhallen die erste „Pink Slip Party“ in Deutschland.

Ein „Pink Slip“ ist kein Wäschestück, sondern der rosafarbene Zettel, auf dem US-amerikanischen Mitarbeitern ihre Kündigung mitgeteilt wird. Weltweit werden zur Zeit von Internetfirmen jede Menge Pink Slips ausgegeben, denn nach dem Börsen-Absturz geht es der Branche schlecht. Allein in den USA sind in den letzten Monaten mehrere hunderttausend Mitarbeiter entlassen worden. Für diese Verlierer der „Dot.com“-Wirtschaft sind die Pink Slip Partys gedacht, als Gelegenheit dafür, den Ärger zu kompensieren und neue Kontakte zu knüpfen.

„Bei Musik und Cocktails Jobsuchende und Arbeitgeber zusammenzubringen“, so beschreibt Lichtenberg die Aufgabe der Veranstaltung. Dafür habe man Personalmanager von 40 großen Unternehmen eingeladen, die mit den etwa 600 erwarteten Arbeitslosen erste Kontakte knüpfen könnten. Wie viele Internetspezialisten in Berlin gerade einen Job suchen, kann der Veranstalter nicht sagen: „Es sind deutlich mehr als 100, aber weniger als 10.000.“ Mit Entlassungen kennt sich Lichtenberg aus, der selbst als „CEO“ (neudeutsch für „Vorstandsvorsitzender“) ein Online-Unternehmen führt. Jüngst hat auch er fünf seiner 28 Mitarbeiter rausgeworfen.

Die Reinbeckhallen, die normalerweise keinen besonders glamourösen Eindruck machen, sind für die Party mit allerlei rosa Deko und Lichteffekten herausgeputzt. Für Jobsuchende ist der Eintritt frei, „Headhunter“ müssen sich am VIP-Eingang registrieren und 150 Mark berappen. Am Anfang wimmelt es jedoch hauptsächlich von Journalisten, die von der vollmundigen Ankündigung angelockt wurden. Mit der Zeit gesellen sich auch die ersten „Kopfjäger“ dazu.

Guido Höhn, Projektleiter in der Personalabteilung von Bosch, ist extra wegen der Party aus Stuttgart eingeflogen. Als Ziel hat er sich vorgenommen, „zehn interessante Gespräche zu führen“. Das Ganze sei natürlich ein „Versuchsballon“, aber neue Wege bei der Mitarbeiterwerbung seien „immer interessant“.

Wer jedoch ausbleibt, sind die eigentlichen Protagonisten des Abends: die Jobsuchenden. Die wenigen anwesenden Exemplare werden sofort von ganzen Rudeln von Reportern bedrängt. So auch Rainer Kamke, der im Verlauf des Abends mit mehr Journalisten als mit Headhuntern gesprochen hat. Mit 49 Jahren gehört der Kreuzberger zu den älteren Semestern unter den IT-Workern. Seit Anfang März sitzt der frühere Erzieher auf der Straße. „Virtual Heaven“, eine Firma für Lernsoftware, bei der er als Netzwerkadministrator gearbeitet hatte, ging damals Pleite. Dass er an diesem Abend einen neuen Job finden würde, hat Kamke nicht gedacht. Trotzdem ist er von der Party „schon ein bisschen enttäuscht“.

Mathias Karth ist da schon eher ein typischer Vertreter der „Generation @“. Der 23-Jährige ist in kurzen Hosen und einem olivfarbenen Hawaii-Hemd auf die Party gekommen. Aber nur, wie er betont, weil sein SMS-Horoskop heute vorausgesagt hat, dass er sich beruflich verändern könnte. Bis vor zwei Monaten hat er noch beim Onlinedienst „www.jamba.de“ Klingeltöne für Handys programmiert.

Seit er gefeuert wurde, sei er „selbstständig“. Heute will er gucken, ob sich jemand für eines seiner Projekte interessiert. Die Tanzfläche, die den ganzen Abend von den Partybesuchern links liegen gelassen wird, bietet um elf Uhr immer noch ein trostloses Bild. Nur zwei Gogo-Girls in pinkfarbenen Kleidchen tanzen verloren in der Halle.

Nicht nur deswegen verlassen die ersten Headhunter die Industriehalle; die Aussichten auf geeignete Kandidaten haben sich nicht verbessert. „Gerade mal mit vier Bewerbern habe ich gesprochen“, zeigt sich Guido Höhn etwas unzufrieden – und die seien auch „nicht so doll“ gewesen. Die Idee hält er aber nicht für gescheitert: „Das wird sich schon noch warm laufen.“