american pie
: Die Minnesota Twins mischen den Baseball auf

Entspannen und viel Spaß haben

And in the streets the children screamed

Die nordamerikanische Baseballsaison ist gerade einmal drei Wochen alt, da reiben sich Spieler und Fans verwundert die Augen beim Blick auf die Anzeigentafeln: Die Minnesota Twins haben sich mit Kraft und Geschicklichkeit an die Spitze der Central Division in der American League gespielt. Dort, wo sonst Cleveland oder die White Sox aus Chicago ihren angestammten Platz haben. Aber nicht nur das: Mit 18 gewonnenen Spielen liegt Minnesota sogar noch vor der Baseball-Supermacht aus New York, den Yankees, die am Montag auch noch mit 2:1 bezwungen wurden. Im Jahr 2001 scheint den Twins einfach alles zu gelingen: präzises Werfen, solide, oftmals sogar spektakuläre Verteidigung und – bei den Twins bisher selten gesehen – kraftvolles Schlagen. Amerika ist begeistert von dem Spiel der Underdogs aus dem Staat der zehntausend Seen.

Wie ungewöhnlich der fulminante Start der Twins ist, lässt sich auch daran erkennen, dass der Club nicht einmal in den Jahren 1987 und 1991 so erfolgreich die Saison begann. Damals gewann Minnesota die „World Series“ genannte Meisterschaft. Dabei gehört das Team von Manager Tom Kelly zu den ärmsten im amerikanischen Profibaseball. In der vergangenen Saison zahlte der Club seinen Spielern zusammen genommen nicht einmal 16 Millionen Dollar an Gehältern. Die fünf reichsten Vereine verteilten dagegen jeweils über 90 Millionen Dollar an ihre Spieler. Und das spiegelte sich regelmäßig in der Erfolgsbilanz wider: Während Minnesota jahrelang die untersten Plätze belegte, gewannen die New York Yankees – mit einer Gehaltssumme von über 113 Millionen Dollar die teuerste Mannschaft überhaupt – in den vergangenen fünf Jahren viermal die World Series.

Wie kann ein „small market team“ wie Minnesota auf einmal so gut spielen? Die Antwort geht zurück auf das Jahr 1998, als die Twins nach mehreren erfolglosen Spielzeiten einen großen Schlussstrich zogen, ihren Star Chuck Knoblauch an die Yankees abgaben und mit jungen Nachwuchsspielern ein neues Team aufbauten. Auf der 28-Spieler-Liste, mit der Minnesota in die 99er-Saison startete, waren nicht weniger als 16 Major-League-Neulinge zu finden. Tom Kelly und seine Coaches haben sich seitdem geduldig um die Ausbildung und die Selektion der jungen Spieler gekümmert.

Kelly, dienstältester Manager der Major League, gehört zu einer vom Aussterben bedrohten Sorte von Baseball-Puristen, denen ein gutes Spiel mehr bedeutet als ein schlecht erspielter Gewinn. Gelegentlich entschuldigte er sich in den vergangen Jahren bei den Fans für eine peinliche Performance seiner Schützlinge. Kellys Erfolgsrezept sind nicht Superstars vom Schlage eines Mark McGwire, sondern hart arbeitende Spieler, die Freude haben an dem, was sie tun. Als Doug Mientkiewicz, einer der überraschendsten Spieler der jungen Saison, nach einer weniger guten Leistungen gegen Kansas City unzufrieden mit sich war, meinte Kelly nur: „Relax and have fun“. In den folgenden Spielen meldete sich Mientkiewicz mit einigen Home Runs zurück.

Dieses Jahr zahlt sich Kellys radikaler Neuanfang aus: Minnesota hat derzeit das am besten funktionierende Team der Major League. Anders als in zurückliegenden Jahren macht es der Mannschaft auch nichts mehr aus, während eines Spiels in Rückstand zu geraten. Das Selbstbewusstsein der jungen Männer ist groß genug, um im richtigen Moment den entscheidenden Hit oder einen weiteren spektakulären Fang zu machen. Spieler Corey Koskie warnt aber vor allzu frühzeitiger Euphorie angesichts des gelungenen Saisonstarts: „Ein guter Anfang bedeutet nichts ohne ein gutes Ende.“

UWE BRECHLIN