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: An Christiansens Küchentisch

Sabine Christiansen

(So., 21.45 Uhr, ZDF)

Streiten sich bei Ihnen im Haus auch zwei Parteien, haben längst Rechtsanwälte eingeschaltet, die auch nach Schiedsmann und Mieterrat nix zustande kriegten? Ziemlich unwahrscheinlich also, dass die alte Koslowski aus dem Parterre sagt: „Getz komm Se ma bei mir an den Küchentisch und reden Se ma Tacheles.“ Unwahrscheinlich? Wenn es aber statt um Mieterstreit um die CDU-Spendenaffäre geht, wenn statt der Alten aus dem Parterre Sabine Christiansen nicht an ihren Küchentisch, sondern ins Kugelstudio an der Gedächtniskirche bittet, dann hat das schon surreale Züge. Seit Monaten wühlt sich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss durch Akten. Und da soll in heimeliger Runde vor Millionenpublikum die Wahrheit auf den Tisch kommen? Quasi als bundesweit sichtbarer Ersatzausschuss? Doch wohl mehr Schein als Sein. Immerhin gab es den Anschein, dabei zu sein. Und Leisler Kiep konnte, ganz distinguiert im Dreiteiler, am Sonntagabend ein paar Pluspunkte sammeln. Er war einfach zu großvaterhaft nett mit seiner ruhigen Art gegenüber der „Wir waschen unsere Hände in Unschuld“-Attitüde von CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer.

Auffällig war überhaupt die eher gepflegte Gesprächsatmosphäre bei dem eigentlich so brisanten Thema, ohne die sonst üblichen Unterbrechungen. Es gibt wohl doch eine Art von Respekt vor einem elder statesman wie Egon Bahr, dem Architekten der deutschen Ostpolitik, der hier mal als Ex-Schatzmeister der SPD und somit als Amtskollege von Leisler Kiep auftrat. Ein, zwei Minuten am Stück nur Bahr, ohne Zwischenruf, das ist selten geworden in Polit-Talkshows.

Christiansen fiel es in diesem gutbürgerlichen Salon-Ambiente leicht, eine gute Figur zu machen. Eine Frage aber kam leider nicht: Was stand bloß noch alles auf jenen Zetteln, die Leisler Kiep in Kamera-Großaufnahme bedächtig ordnete, zusammenfaltete und letztlich in seinem Jacket verstaute? Die Wahrheit über die CDU-Millionen, Schreiber, Lüthje, Weyrauch und sich selbst? Oder vielleicht doch nur die Wäschereirechnung von vergangener Woche? STEFAN ALBERTI