Tony Blair liebt und schweigt

von DOMINIC JOHNSON

Wovon man nicht sprechen kann, davon soll man schweigen. Diese Maxime des in England höchst einflussreichen Cambridger Philosophen Ludwig Wittgenstein, außerhalb Großbritanniens eher als Österreicher bekannt und entsprechend weniger geschätzt, leitet die Europapolitik der britischen Labour-Regierung. Denn Europa ist das einzige Politikfeld, in dem die oppositionellen Konservativen mit ihrer tiefen Skepsis gegenüber den Machenschaften dieses eigentlich überflüssigen Nachbarkontinents die Meinungsführerschaft innehaben. Also will Labour das Thema aus dem beginnenden britischen Wahlkampf heraushalten.

Offiziell hieß es aus dem Amtssitz von Premierminister Tony Blair nach Bekanntwerden von Gerhard Schröders Vorschlägen: „Dies ist der jüngste Beitrag zu einer wichtigen Debatte.“ Da kann selbst die Opposition nicht widersprechen. Inoffiziell, so ist der britischen Presse zu entnehmen, ist man in London nicht glücklich darüber, dass so kurz vor den britischen Wahlen ausgerechnet ein Deutscher alle Vorurteile der Engländer über den geheimen Superstaatstrieb der Kontinentaleuropäer zu bestätigen scheint. Die Konservativen waren entsprechend glücklich: „Wenigstens hat er den Mut, zu seinen Überzeugungen zu stehen“, lobte der Schatten-Außenminister Francis Maude.

„Europhil“ – ein Wort, das für manche Engländer Assoziationen mit „pädophil“ weckt – sind nur die Liberaldemokraten, die in der nationalen Politik keine Rolle spielen. Selbst ihnen geht Schröder zu weit: „Eine Regierung zu viel“ wolle der Bundeskanzler, meinte Liberalenführer Menzies Campbell.

Ob New Labour auch „europhil“ ist oder nicht, weiß vermutlich inzwischen nicht einmal die Partei selber. Einst wurde Tony Blair nachgesagt, er rede nur deswegen nicht über Europa, weil er es eigentlich liebe. Insgeheim plane er nach seinem kommenden Wahlsieg so schnell wie möglich eine Volksabstimmung über den Beitritt zum Euro. Da aber allen Umfragen zufolge eine Dreiviertelmehrheit der Briten gegen die Einheitswährung ist und Blair keine Wahl ansetzt, die er nicht gewinnen kann, scheint das ziemlich unrealistisch. Europa ist Blair einfach nicht wichtig genug, als dass er es seinen Ruf verderben lassen könnte.