„Werthebach ist ein Fantast“

Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, hält das Konzept des Innensenators für gescheitert. Doch richtig ernst nehmen kann er die Empörung über die Krawalle am Maifeiertag nicht mehr: „Jeder versucht nur, sein politisches Süppchen zu kochen“

taz: Herr Schönberg, fühlen Sie sich in der Annahme bestätigt, dass das Verbot der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration die Krawalle in Kreuzberg erst richtig angeheizt hat?

Eberhard Schönberg: Das kann man mit einem klaren Ja beantworten.

Es gibt Leute, die sprechen von den schlimmsten Krawallen seit Jahren.

Aus dem Kollegenkreis gibt es dazu sehr widersprüchliche Äußerungen. Ich will mich nicht auf den Streit einlassen, ob es nun letztes oder dieses Jahr schlimmer war. Fakt ist, dass Werthebachs Konzept nicht aufgegangen ist.

Mit dem Demonstrationsverbot hat er den Autonomen wieder ein Thema geschenkt. Die ganzen letzten Jahren hatten sie keines mehr, da gab es nur sinnentleerte Gewalt. Diesmal konnten sie sich wieder motivieren: Jetzt erst recht. Die Kollegen haben es vor Ort zu spüren bekommen. Sie sind aufs heftigste von den Leuten angepöbelt und beschimpft worden – nach dem Motto „Die Polizei schützt die Faschisten“.

Innensenator Werthebach hat angekündigt, dass er das Verbotskonzept durchziehen will. Dann sei in Kreuzberg in drei Jahren Ruhe, meint er.

Ich würde mich freuen, wenn dieser Schwachsinn nicht mehr stattfinden würde. Aber so etwas kann nur jemand sagen, der Fantast ist. Möglicherweise wird er beim nächsten Mal statt 9.000 Polizisten 14.000 einsetzen. Das Problem ist nur: Solange es dieses Potenzial gibt, das auf Biegen oder Brechen eine Straßenschlacht durchführen will, kann die Polizei machen, was sie will. Solange man diese Leute nicht erreicht, wird es weitergehen. Ich habe dafür auch kein Konzept.

Im vergangenen Jahr gab es Stimmen, die gefordert haben, das Problem nicht nur der Polizei zu überlassen. Ein gesellschaftliches Bündnis gegen die Mai-Randale müsse her, hieß es damals.

Es ist aber nichts gemacht worden. Es wird nur geredet. Jeder, von Werthebach und der CDU über die SPD bis hin zu den Grünen und der PDS, versucht, nach den Krawallen sei politisches Süppchen zu kochen. Das war’s dann, bis zum nächsten Mal. Und die Polizei muss es wieder ausbaden.

Der SPD-Chef Strieder hat der Polizei den Rat gegeben, lieber auf die eigenen Fachleute zu hören als auf den Innensenator.

Das geht nicht. Was der Innensenator anordnet, das müssen wir machen.

INTERVIEW: PLUTONIA PLARRE