Ein tiefschwarzer Erster Mai

Fast alle Fernsehsender tuten bei der 1. Mai-Berichterstattung ins gleiche Horn: Wer trotz Verbot auf die Straße geht, dürfe sich über gewalttätige Behandlung nicht wundern. Dass die NPD demonstrieren darf, bleibt unkommentiert

Die ARD präsentierte sich am 1. Mai in ihren „Tagesthemen“ tiefschwarz. Moderatorin Anne Will wollte von Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) wissen, ob das Verbot der „Revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ nicht doch ein Fehler war. Und erhielt die voraussehbare Antwort: Jeder Steinwurf sei eine Bestätigung des Verbots, verkündete Werthebach aufgeräumt. Er war sichtlich zufrieden, seine Forderung nach Verschärfung des Versammlungsrechts so aufs Neue unterzubringen zu können.

Im Anschluss durfte Thomas Baumann (MDR) im Kommentar reaktionäre Plattitüden verbreiten. Er betete die bekannt konservative Hetze auf Gewerkschaftsbosse herunter: Mitbestimmung sei einzig deren Anliegen, weil ihnen die Mitglieder ansonsten davonliefen. Im ZDF-heute-Journal kommentierte Markus Gross im Film gelangweilt Berliner Straßenkampf-Bilder: „Übliche Randale-Rituale“, „Katz-und-Maus-Spiel“. Auch im Hessischen Rundfunk, dem die Rechten am Versammlungsort direkt vor der Nase herumtanzten, gab man sich staatstragend: „Hier musste massiv gegen die Linksradikalen vorgegangen werden“, verlautbarte man im Filmbeitrag im Polizeijargon. Gezeigt wurde das unvorteilhafte Bild einer jungen Frau, die – mitten im Geschehen – mit überschwappender Stimme Polizisten anbrüllte: „Sie beschützen Faschistenschweine!“ Im Kommentar säuselte Annekarin Lammers dann Friedensbotschaften: „Es gibt keine gute Gewalt“ und „Unsere Demokratie muss auch den braunen Mob aushalten“. Warum wir allerdings verfassungsfeindliche Symbole wie die Doppel-Acht (für die „Heil Hitler“-Initialen) aushalten sollen, verriet sie nicht. Auch nicht, warum man stillhalten solle, wenn Neonazis wie Christian Worch, Steffen Hupka und Thomas Wulf aufmarschieren. Überhaupt war von Provokationen der Rechten vor oder während der Demonstration nirgendwo die Rede. Nicht von den Verhöhnungen Ignatz Bubis („Gott sei seiner Asche selig“) oder der Parole, in „die letzte Bastion unserer Gegner, die sich noch sicher fühlen“, stoßen zu wollen. Kurz: Die Rechten zu ignorieren, muss offenbar einhelliges Credo der Programmmacher gewesen sein. Wodurch der Protest gegen sie natürlich unbegründet schien.

Die Kommerzsender dagegen gaben sich geradezu fortschrittlich: RTL-Korrespondent Peter Klein wusste immerhin, was „Kritiker“ über „diese Variante des Tanzes in den Mai“ in Berlin denken: Mit seinem rigiden Verbot der linken Demonstration habe der Innensenator nur unnötig Öl ins Feuer gegossen. Ansonsten beschränkte man sich darauf, die üblichen effektheischenden Bilder genüsslich zu kommentieren: „Allen Verboten zum Trotz fliegen Steine. Wie gesagt, es ist heiß in Berlin.“ Wie RTL berichtete auch Sat.1 immerhin, dass der Protest in Frankfurt erfolgreich war. Man erfuhr, dass die rund 900 NPD-Anhänger wegen Blockaden mit der Straßenbahn zum Kundgebungsort geleitet wurden.

Allein beim sonst stockkonservativen SFB bekam man zumindest teilweise den Eindruck, dass die Redaktion den massiven Polizeieinsatz in Berlin kritisch empfand: Ihr Reporter sei nicht aus dem Polizeikessel hinausgekommen, beschwerte sich Abendschau-Moderator Moll bei Polizeichef Saberschinsky, der beim Rechtfertigungsversuch ins Schwimmen kam. Die zweifelhafte Formulierung, die Krawalle seien „trotz“ der 9.000 Polizisten im Einsatz ausgebrochen (anstatt „wegen“), wurde aber auch benutzt. GITTA DÜPERTHAL