Konzessionen an Gefangene

Türkisches Parlament verabschiedet Gesetzesänderung: Häftlinge bekommen Erleichterungen der Einzelhaft. Menschenrechtsverein spricht von Täuschungsmanöver

ISTANBUL taz ■ Nachdem sich bereits 16 Häftlinge in der Türkei zu Tode gehungert haben, hat das türkische Parlament am Dienstag abend einer Lockerung der Einzelhaftbedingungen zugestimmt. Den aufgrund des Anti-Terror-Gesetzes verurteilten Gefangenen wird nun gestattet, an kulturellen und sportlichen Aktivitäten teilzunehmen und täglich mehrere Stunden zusammenzukommen. Durch zwei weitere Gesetzesvorhaben sollen das Amt eines „Vollzugsrichters“ eingerichtet und unabhängige Kontrollräte gebildet werden, die beide die Anstalten regelmäßig inspizieren werden. Diese Gesetze sollen das Parlament in Kürze passieren.

Der Türkische Menschenrechtsverein IHD bezeichnete die Gesetzesänderungen als ein „Täuschungsmanöver“. Die Isolationshaft werde damit nicht abgeschafft, sondern im Gegenteil legitimiert. Die Zusammenkunft der Gefangenen sei nicht an objektive Kriterien gebunden, sondern willkürlich definiert. Außerdem fordern die Gefangenen, dass die Kontrollräte aus Vertrauenspersonen vom Menschenrechtsverein, dem Ärzteverband und der Anwaltskammern bestehen. Sie sind der Ansicht, dass der Staat diese Organisationen ignorieren und seine eigenen Leute einsetzen wird.

Der Hungerstreik könnte sich trotzdem seinem Ende nähern. Wie ein Vertreter der Organisation der Angehörigen von Gefangenen, Tayad, gestern der taz mitteilte, wurden Hunderte Hungerstreikende seit dem Wochenende in Krankenhäuser verlegt, wo sie zwangsernährt werden. Obwohl der Türkische Ärzteverband Zwangsernährung ablehnte, finden sich genügend Ärzte, die sie durchführen.

JÜRGEN GOTTSCHLICH