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: Levi’s Flagship Store am Tauentzien

Sozusagen viel Etwas mit etwas Nichts

Die Chronistenpflicht zwingt uns, mit einer traurigen Meldung zu beginnen: Ordnungskräfte haben in der Nacht zum Sonntag in der beliebten Vergnügungsstätte Club 103 dem munteren Treiben ein jähes Ende bereitet. Auch wenn wir an dieser Stelle oft gern und hart mit dem 103 ins Gericht gegangen sind, schmerzt uns das natürlich sehr; nicht zuletzt deshalb, weil man das, was man am meisten schätzt, oft auch am strengsten kritisiert. Wir können also nicht umhin, eine Lücke zu konstatieren, die nun wochenends auffallend klafft. Kein anderer Club stand für jenes innovative Vergnügungskonzept, das vor allem darin bestand, ein großes Nichts mit ein wenig Etwas anzureichern. Wir nannten das Ganze Lounging mit Content – eine aufregende Idee, die nun, wenn auch in veränderter Form, von einem Bekleidungshersteller als Anregung aufgenommen wurde.

Wir haben es wahrscheinlich alle gemerkt, vor einiger Zeit schloss der Levi’s Store am Tauentzien vorübergehend seine Pforten. Das Konzept, einfach nur Hemden und Hosen zu verkaufen, so befand man in den Levi’s-Strategie-Abteilungen, sei dem aktuellen Salesmanagement nicht mehr angemessen, denn wenn alles immer innovativer werde, so schlussfolgerte man, müsse auch die Art des Jeansverkaufs innovativer werden, superinnovativ sozusagen, weil Levi’s unter den Jeansherstellern dem Anspruch nach der innovativste sei. Während man den Handwerkern die Anweisung gab dem ehemals unmodern holzigen Ambiente einen Anstrich in lichtgrau zu verpassen, damit das Licht fortan ungehindert und freundlich die großzügigen Räumlichkeiten fluten möge, grübelten die Chefideologen über die entsprechend innovativen Maßnahmen zur Kundenbindung.

Die Hosen sollten nicht nur verkauft, sondern erlebt und gefühlt werden. Sie sollten das besondere Levi’s-Image, das davon handelt modern, zeitgemäß und individuell zu sein, gewissermaßen verströmen und verlangten daher nach einer modernen, zeitgemäßen und vor allem auch individuellen Präsentation. Um das Angebot noch individueller zu gestalten, entwickelte man den Plan einer so genannten Customization-Area die den bekanntlich sehr individuellen Levi’s-Kunden die einzigartige Möglichkeit bietet, das an sich schon sehr individuelle Levi’s-Design durch seine eigenen Wünsche noch individueller zu gestalten. Ganz praktisch gesehen würden die erfahrenen Customizer auf Wunsch das frisch im Haus erworbene Beinkleid mit fröhlichen Sonnenblumen besticken, mit lustigen Nieten verschönern oder einfach in der Mitte durchschneiden – ein tolles Angebot, der Kunde ist wieder König.

Während die Tage und Wochen vergingen, wartete ganz Berlin darauf, diese wunderbare Möglichkeit endlich in Anspruch nehmen zu können. Nun war es soweit, am Mittwochabend kam es am Tauentzien zu dem langersehnten „Rebirth of a Store“, der gelungener kaum hätte sein können. Besonders gelungen beim neuen Levi’s Flagship Store: Die extrem innovativen Neuerungen sind mit solch feinem Gespür in das herkömmliche Jeansshop-Konzept eingebaut, dass man sie als solche kaum bemerkt. Viel Etwas mit etwas Nichts sozusagen. Nur wer genau hinguckt, bemerkt, dass die Musik jetzt vom Plattenteller kommt und die Hosen nicht mehr gefaltet in den Regalen liegen, sondern zwecks eines höheren Erlebnisfaktors an Klammern im Raum hängen. Man nennt das die Pasta-Technik. Man könnte auch sagen, Kleider von der Stange.

HARALD PETERS