Gottesknecht gegen Papst

Die griechisch-orthodoxe Kirche hat erfolglos gegen den heute beginnenden Besuch Papst Johannes Pauls II. in Griechenland mobilisiert. Vorwürfe wegen Untaten der Kreuzritter in Konstantinopel im Jahre 1204. Regierung in der Klemme

von NIELS KADRITZKE

Seit letztem Freitag haben Mönche vom Berg Athos und aus ganz Griechenland in einem Kloster am Fuße des Olymp ihren Herrgott angefleht, er möge den Besuch des Papstes in Griechenland doch noch vereiteln. Aber der Widersacher aus Rom scheint die besseren Beziehungen zur höchsten Ebene zu haben. Papst Johannes Paul II. wird heute in Athen eintreffen und auf dem Pnyx-Hügel gegenüber der Akropolis beten – an der Stelle, wo der Apostel Paulus vor fast 2.000 Jahren mit relativ wenig Erfolg auf die alten Athener eingeredet hat. Die orthodoxesten Elemente der orthodoxen Kirche Griechenlands müssen sich dagegen mit Straßendemonstrationen gegen Johannes Paul II. begnügen, der für sie der schlimmste Feind ihrer rechtgläubigen Konfession ist.

Obwohl der Papst seinen Griechenlandbesuch als Gast des Staatspräsidenten Stephanopoulos und der Regierung Simitis absolviert, gilt die größte Aufmerksamkeit dem gespannten Verhältnis zwischen der katholischen und der orthodoxen griechischen Kirche. 97 Prozent aller Griechinnen und Griechen gehören der orthodoxen Kirche an, aber nur 6 Prozent von ihnen gehen regelmäßig in die Kirche. Insofern repräsentieren die anti-papistischen Stimmen die kirchentreuen Kreise, die im politischen Spektrum traditionell den äußersten rechten Flügel besetzen. Nicht nur die Äbte der orthodoxen Klöster, sondern auch der Verband der griechischen Popen haben sich gegen den Papstbesuch verwahrt. Ihr Hauptargument: Der Vatikan habe sich noch immer nicht für die Untaten entschuldigt, die katholische Kreuzritter im Jahre 1204 (zwölfhundertundvier) mit dem Segen des römischen Papstes in Konstantinopel begangen haben.

Die Regierung in Athen jedoch kann nicht den Eindruck entstehen lassen, dass Griechenland das einzige EU-Land ist, in dem der Papst nicht willkommen ist. Sie hat deshalb alles getan, um zu verhindern, dass die orthodoxen Fundamentalisten in die Nähe des Pontifex gelangen. In Athen sind heute 4.500 Polizeikräfte im Einsatz.

In einer schwierigen Lage befindet sich die Führung der orthodoxen Kirche. Erzbischof Christodoulos (der Name bedeutet „Gottesknecht“) hat zwar hinter den Kulissen alles getan, um den Papstbesuch zu verhindern. Aber er kann das Oberhaupt der katholischen Kirche, das immerhin einen „ökumenischen Dialog“ mit dem Patriarchen von Istanbul als ranghöchstem Repräsentanten der Orthodoxie betreibt, nicht frontal vor den Kopf stoßen. So wird es zu mindestens einer Begegnung zwischen Johannes Paul II. und Christodoulos kommen. Aber der Gottesknecht hat seinen Bischöfen und Popen in die Hand versprochen, dass es auf keinen Fall zu einem gemeinsamen Gebet kommen wird. Um jeder Versuchung zu widerstehen, hat der Erzbischof denn auch eine Einladung zum Essen abgelehnt, bei dem der Papst ihn womöglich mit einem Tischgebet hereingelegt hätte. Christodoulos setzt ohnehin andere Prioritäten. Er versteht sich zugleich – und nicht nur nebenamtlich – als „Führer der Nation“. Entsprechend will er mit dem Papst so politische Themen wie die Osterweiterung der EU erörtern. Die griechische Regierung wird es mit Misstrauen beobachten. Sie versucht seit zwei Jahren, die Trennung von Staat und orthodoxer Kirche voranzutreiben. Dem tritt der populistische Erzbischof mit dem Slogan der Identität von „Griechenland und Orthodoxie“ entgegen. Entgegen dieser Anmaßung will die Regierung die Diskriminierung der religiösen Minderheiten beenden, die direkt aus der privilegierten Stellung der orthodoxen Kirche resultieren. Im öffentlichen Dienst können griechische Bürger nichtorthodoxen Glaubens nach wie vor nur begrenzt Karriere machen. Und noch vor wenigen Jahren hatte der griechische Geheimdienst in seiner Kartei der „unzuverlässigen“ Minderheiten auch die etwa 50.000 griechischen Katholiken erfasst. Bis heute ist dagegen die Rechtsbestimmung in Kraft, dass der Bau einer katholischen Kirche oder einer Moschee der Zustimmung des örtlichen orthodoxen Bischofs bedarf. Über solche byzantinischen Probleme müssten bei einem katholisch-orthodoxen Dialog auf griechischem Boden eigentlich zur Sprache kommen. Aber dafür müsste wohl erst einmal das Problem von 1204 gelöst werden.