Sonne, Strand und Giftspritzen

■ Thor Kunkel und die Verteilungskämpfe im Ferienidyll

Nein, Ein Brief an Hanny Porter, der zweite Roman von Thor Kunkel (Das Schwarzlicht-Terrarium) hat mit einer populären literarischen Figur mit Brille, Sommersprossen und einem Händchen fürs Magische nichts zu tun. Vielmehr erinnerte man sich ob der rasanten Kriminovelle vereinzelt an Alfred Hitchcock, plotmäßig indes mag durchaus Michael Hanekes vieldiskutierter Film Funny Games von 1997 Pate gestanden haben: Hier wie dort geht es um den Einbruch scheinbar unsinniger Aggression in ein (vermeintliches) Idyll.

Hanny Porter ist auf dem Weg zu ihrem Haus auf Maui. In einigen Tagen wird ihr Mann Richard nachkommen, bis dahin von Geschäften aufgehalten. Bald geht er ohnehin in Ruhestand, die Golfclub-Mitgliedschaft ist schon organisiert. Auch die drei Söhne sind, wie man so sagt, aus dem Gröbsten heraus.

Was der jährliche Urlaub sein sollte, wird freilich zum Albtraum: Aufgebrochene Schränke, Rotweinflecken und die Hinterlassenschaften eines bettnässenden Pros-tatakranken sind nicht, was Hanny vorzufinden erwartet hatte. Dazu findet sie einen Brief, in dem sich die Zwischenmieter des Bungalows zwar für alle verursachten Unannehmlichkeiten entschuldigen, sie gleichwohl als Teil einer persönlichen Reparation betrachten: „Es muss doch ein beruhigendes Gefühl sein, zu wissen, dass ärmere Menschen, wie wir zum Beispiel, Ihren Ruhesitz finanzieren“. Nur ein schlechter Scherz und ein Versicherungsfall, wie Richard meint? Die Unterzeichner, Marv und Ellie, so stellt sich heraus, sind mitnichten abgereist, sondern bestehen vielmehr mit drastischen Mitteln darauf, im Haus mit dem schönen Sonnenuntergang zu bleiben.

Alexander Diehl

Sonntag, 20 Uhr, Mojo Club; Thor Kunkel: Ein Brief an Hanny Porter, Rowohlt 2001, 23 Mark