forschen an embryonen
: Kein Gut, kein Böse

Wären wir Frösche, dann würden uns verlorene Gliedmaßen von selbst nachwachsen. Sind wir aber nicht – unsere Körperzellen haben diese Fähigkeit verloren. Deshalb forschen die Mediziner an Zellen, die sich noch selbst regenerieren können. Das Problem: Die aussichtsreichsten Kandidaten werden aus vier Tage alten Embryonen gewonnen.

Kommentarvon MATTHIAS URBACH

Trotzdem möchte die Deutsche Forschungsgemeinschaft solche „Stammzellen“ benutzen. Die evangelische Kirche fürchtet, dass damit eine „wesentliche Grenze“ überschritten wird. Auch die Forschungsministerin ist skeptisch. Ist das der viel zitierte ethische Dammbruch? Der Einstieg in eine Zukunft, in der wir geklont werden wie Schafe?

Wer so argumentiert, macht es sich leicht. Denn schon die Frage, ab wann ein Embryo Schutz genießen sollte, kann nicht prinzipiell entschieden werden. Im jüdischen Glauben etwa hat der Embryo keine eigenständige Seele. Entsprechend unreglementiert ist in Israel die Herstellung embryonaler Zellen. Und Großbritannien, das sogar das therapeutische Klonen erlaubt, ist auch kein Hort der Barbarei.

Nach deutschem Gesetz sind Embryonen von der Befruchtung an geschützt. Trotzdem ist auch hierzulande ein Embryo nicht immer sicher. Eine Spirale zur Verhütung zum Beispiel ist nach dieser Definition ein Mordwerkzeug: Denn sie unterbindet die Einnistung befruchteter Eizellen – sie gehen zugrunde.

Auch werden immer wieder Reagenzglasbefruchtungen abgebrochen, weil die Frau es sich kurz vorher anders überlegt. Bislang müssen die vorbereiteten Embryonen vernichtet werden.

Solche und nur solche Embryonen würde die DFG gern für medizinische Forschung verbrauchen. Ist das unmoralisch? Es gibt keine leichten und eindeutigen Antworten auf diese Frage. Wer vom Dammbruch spricht, bläst dagegen seine Position zum Nonplusultra auf. Aber keine Angst: Es wäre nicht das erste Mal seit dem Mittelalter.

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