Déjà-vu für Anspruchsvolle

Heute startet XXP in Berlin. Der neue Sender von Spiegel TV und DCTP bietet zunächst allerdings bereits häufiger besichtigte Programmware

Heute starten Spiegel TV und Alexander Kluges DCTP ein neues Programm – und begehen gleich beide Todsünden des Privatfernsehens. Erstens: Der neue Sender mit dem Namen XXP zeigt fast auschließlich Wiederholungen. Zweitens: Der größte Teil des recycelten Stoffs besteht aus Dokumentationen, Interviews und anderem Anspruchsvollen, einst ausgestrahlt bei Spiegel TV oder den DCTP-Fenstern auf RTL, Sat.1 und Vox. Denn dort besitzt die Development Company for Television Program eigene Sendezeiten als „unabhängiger Dritter“.

Ex-RTL-Chef Helmut Thoma befand über DCTP-Sendungen wie „10 vor 11“ oder „News and Stories“ schon 1996: „Das sind Quotenkiller.“ Spätestens seit Vox 1994 mit dem Versuch gescheitert ist, ein intelligentes privates Fernsehprogramm zu machen, ist doch klar: Das funktioniert nicht. Oder?

Stefan Aust sitzt vor Journalisten im neuen Fernsehstudio in einer ehemaligen Fabrik in Berlin-Mitte. „Wenn Spiegel-TV bei Vox lange Dokumentationen gezeigt hat, war die Quote oft doppelt so hoch wie sonst“, sagt der Chefredakteur des Spiegel und „Spiegel-TV“-Geschäftsführer mit spöttisch-wissendem Lächeln. „Und wenn der Sender vor unserer Doku einen thematisch passenden Spielfilm ausgestrahlt hat, waren wir noch besser.“ – So viel zum Quotenkiller.

XXP will in einem 24-Stunden-Programm Dokus, Interviews und Filme verknüpfen, im Mai noch als geschlossene Themenwoche, ab Juni steht jeder Wochentag unter einem Motto: Dienstag ist z. B.für Historisches reserviert, mittwochs geht es um Wissenschaft und Technik. Zum Start gibt es ab heute eine Woche Kriegsenden – vom Punischen Krieg bis Vietnam. – „Wir lösen ein, was das Privatfernsehen versprochen, aber nicht gehalten hat“, sagt Aust und meint Vielfalt im aufgeteilten Fernsehmarkt.

Zu empfangen ist der Sender vorerst nur im Berliner Kabelnetz. „Doch wir sind mit anderen Bundesländern im Gespräch“, so Aust. Gemeinsam mit Kluge träumt er schon seit Jahren vom eigenen Fernsehkanal, in dem sie ihre Programmbestände zweitverwerten können.

Dass sich ihr kleines, anspruchsvolles Programm tragen kann, da sind sich beide sicher: Bereits 1998 prophezeite die Kölner Unternehmensberatung HMR International einem „nichtfiktionalen Spartensender gute Aussichten auf dem engen deutschen TV-Markt“. Die Autoren verwiesen auf den Erfolg ausländischer Doku-Kanäle wie Discovery Channel oder Histoire.

Dass ein ähnliches deutsches Projekt damals nicht zum Zuge kam, obwohl Dokus auch hierzulande ein wachsendes Publikum finden und billiger zu produzieren sind als anspruchsvolle fiktionale TV-Ware, nennt HMR schlicht „Marktversagen“. Denn im Anschluss an die Studie im Auftrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hatte es sogar schon ein Konsortium und einen Businessplan für den deutschen Doku-Kanal gegeben – unter maßgeblicher Beteiligung von Spiegel TV, DCTP und ZDF. Gespräche mit der zuständigen Landesanstalt für Rundfunk (LfR) folgten. Doch zum Lizenzantrag kam es nie. Zum einen engagierte sich das ZDF nur halbherzig. „Doch Knackpunkt war die Verbreitung des neuen Senders im analogen Kabelnetz“, sagt Studienautor Jan Lingemann. Ein Kabelplatz und damit die sichere Reichweite ist aber Vorraussetzung für den Erfolg jedes werbefinanzierten Senders. Im eigentlich für sein großzügiges mediales Engagement bekannten NRW fehlte dann wohl doch der politische Wille, auch „die LfR wollte sich dafür nicht stark machen“, so Lingemann.

In Berlin ist das anders: „Wir haben XXP eine analoge Kabelfrequenz zugeteilt, weil es ein völlig neues Programmkonzept ist“, sagt Susanne Grams, Sprecherin der Berliner Landesmedienanstalt. Und schließlich schaffe XXP auch Arbeitsplätze.

Allzu viele dürften es nicht sein: Die vorerst einzige regelmäßige Eigenproduktion heißt „Punkt X“ und ist das Nachrichtenmagazin des Senders. „In das Magazin stecken wir unser ganzes Geld“, sagt Aust – darüber hinaus zugekauft wird für das Programm nicht. Wer kooperieren will, werde an den Werbeerlösen beteiligt: „Wir machen Fifty-fifty“, nach diesem Prinzip liefere auch die Kinowelt Medien AG einige Spielfilme zu.

XXP-Geschäftsführer Cassian von Salomon träumt trotz knapper Budgets immerhin von einer Exklusivsendung: „Als erstes möchte ich das ‚Spiegel TV‘-Interview mit Sandra Maischberger wiederbeleben.“ Ob n-tv schon davon weiß? RGE