Glatt aus der Luft gepflückt

Im ersten Match des Playoff-Viertelfinales in der Basketball-Liga NBA besiegen die San Antonio Spurs die erschöpften Dallas Mavericks mit 94:78, verlieren aber einen ihrer wichtigsten Spieler

von MATTI LIESKE

Es war ein schwarzer Abend für die Dallas Mavericks, doch als noch schwärzer könnte er sich für die San Antonio Spurs herausstellen. Zwar gewannen diese das erste Match im Viertelfinale der NBA-Playoffs souverän mit 94:78, aber ein brutales Foul von Juwan Howard kurz vor der Halbzeit versetzte ihren Titelhoffnungen einen heftigen Schlag.

Der während der Saison aus Washington nach Dallas gekommene Forward pflückte San Antonios Derek Anderson beim Dunkversuch förmlich aus der Luft, der Gefoulte krachte schwer zu Boden und erlitt eine Schulterverletzung, die ihn drei bis sechs Wochen lahm legt. Mehr als bitter für die Spurs, denn Anderson, vor der Saison von Cleveland übernommen, war genau der Baustein, der das Team von einem Mitfavoriten zum Topfavoriten für die Meisterschaft machte. Mit 15,5 Punkten, 4,4 Rebounds und 3,7 Assists im Schnitt war der vielseitige Anderson die dritte Option der Spurs nach Tim Duncan und David Robinson, und sprang immer dann in die Bresche, wenn die „Twin Towers“ gut bewacht oder schlecht drauf waren. „Er ist ein Schlüsselspieler, niemand kann ihn ersetzen“, sagt Robinson über den unglückseligen Kollegen. Ohne ihn hat zum Beispiel ein Team wie die Los Angeles Lakers, das gegen die Sacramento Kings um den Einzug ins Halbfinale spielt, ein gewaltiges Problem weniger zu lösen, wenn es dort auf San Antonio treffen sollte.

Zunächst einmal müssen die Spurs jedoch die Best-of-seven-Serie gegen die Mavericks gewinnen. Diese stehen zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder in den Playoffs und möchten dort in erster Linie „Erfahrungen sammeln“, behauptet zumindest Coach Don Nelson. „Blödsinn“, hält Tim Duncan dagegen, „sie wollen die Serie gewinnen, genau wie wir.“ Nur mit einer monumentalen Anstrengung hatte Dallas im entscheidenden fünften Match bei den abgezockten Veteranen der Utah Jazz hauchdünn mit 84:83 gesiegt. Kein anderes Team beherrscht es so gut, die Schiedsrichter auf seine Seite zu bringen, wie die Schwalbenkönige aus Salt Lake City um John Stockton und Karl Malone. Dirk Nowitzki etwa hatte, ehe er sich versah, fünf Fouls auf dem Buckel. Vier davon, wie Fernsehkommentator Danny Ainge, einst selbst ein ausgebuffter Profi, fachmännisch analysierte, vollkommen zu Unrecht. Der Einzige, der sich nicht beeindrucken ließ, war Michael Finley, der die Jazz’ fast im Alleingang bezwang. Ein Kraftakt, dem das Team von Don Nelson gegen San Antonio eindeutig Tribut zollen musste. „Es ist eine Ungerechtigkeit in dieser Liga“, sagte der Coach, „dass man eine harte Serie beendet und nach nur einem Ruhetag schon wieder spielen muss.“

Dabei ist Dallas ein Team, dass durchaus die Mittel besitzt, um die Spurs zu ärgern. Mit ihren glänzenden Distanzschützen können die Mavericks auch punkten, wenn Duncan und Robinson unter dem Korb alles dicht machen. Nicht allerdings, wenn sie so miserabel treffen wie in Spiel eins vor 32.798 Zuschauern im Alamodome von San Antonio. Dirk Nowitzki versenkte gerade mal drei von 13 Feldwürfen im Korb, Spielmacher Steve Nash gar keinen und selbst Finley traf nur sieben von 18 Versuchen. „Ein schreckliches Spiel für uns“, meinte Nowitzki. Lediglich die Defense des langen Shawn Bradley, dem in der Anfangsphase sechs Blocks gelangen, hielt die Mavs zunächst im Spiel. Nach der Disqualifikation von Juwan Howard wegen seines Fouls an Anderson dominierte dann nur noch Tim Duncan (31 Punkte, 13 Rebounds), obwohl die Spurs nach der Halbzeit leicht geschockt wirkten. Eine Auszeit von Coach Gregg Popovich behob auch dieses kleine Problem. „Pop sagte, wir würden spielen, als sei jemand gestorben“, berichtete Antonio Daniels, „das hat uns Feuer gemacht.“

Bei den Mavericks beschwerten sich Coach Nelson und Besitzer Mark Cuban über die Hinausstellung von Howard, der keineswegs als böser Bube gilt und sichtlich erschrocken über die Folgen seiner Tat wirkte. „Ich wollte nur den Wurf blocken“, beteuert Howard, angesichts der rücksichtslosen Vehemenz seiner Aktion wird er um eine Sperre zumindest für das nächste Match am heutigen Abend jedoch kaum herumkommen. Langfristiger sind nach dem Ausfall von Derek Anderson die Probleme der Spurs. „Wir haben einen wichtigen Teil unseres Spiels durch ein dummes Foul verloren“, sagt Tim Duncan und hofft: „Vielleicht gibt es ja eine Blitzheilung.“