Kritische Polizisten im Dauerstreit

Seit die Sprecherin der Kritischen Polizisten den Suizid eines Kollegen als Folge von Mobbing erklärte, zerfällt die Organisation. Sie ist politisch am Ende und wird als kritische Stimme zur offiziellen Polizeiwirklichkeit in Zukunft kaum noch eine Rolle spielen

aus Berlin OTTO DIEDERICHS

Fünfzehn Jahre nach ihrer Gründung steht die „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten und Polizistinnen e.V.“ vor dem Aus. Mit zwei Klagen haben der Berliner Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und ein Polizeidirektor die „Kritischen“ an den Rand des finanziellen Ruins getrieben und einen inneren Zerrüttungsprozess ausgelöst.

Hintergrund des Zerfallprozesses der Organisation ist eine Presseerklärung ihrer Sprecherin Bianca Müller zum Suizid eines Berliner Polizeibeamten im November 2000. Darin hatte sie auf Mobbing auf der Dienststelle des Beamten hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, dass dessen Vorgesetzter bereits 1997 in einen ähnlichen Fall verwickelt war. Dies sei auch der Polizeiführung „nicht unbekannt“. Daraufhin strengten Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und der Polizeidirektor eine Unterlassungsklage gegen die „Kritischen“ an. Die bisherigen Prozesse haben sie gewonnen, denn die von Bianca Müller als Beweismittel vorgelegten eidesstattlichen Erklärungen haben sich bisher als nicht gerichtsfest erwiesen. Die aufgelaufenen Kosten summieren sich bereits vor der Hauptverhandlung auf etwa 30.000 Mark.

Eine am Samstag eigens einberufene Krisenversammlung blieb jedoch ohne Ergebnisse. Die Frage wie der Verein eine Selbstauflösung wegen drohender Insolvenz noch abwenden könnte, bleibt weiter ungeklärt. Wichtiger waren den Teilnehmern die internen Querelen im Vorstand. Ein Teil wirft Müller „unprofessionelles Verhalten“ vor. Der andere erklärt ihren Sprecherkollegen Thomas Wüppesahl zum eigentlichen Problem. Der habe sich „vereinsschädigend“ verhalten und den Konflikt intern verschärft. Die frühere Geschlossenheit der Gruppe ist dahin. Neben sieben Vorständlern fanden am Wochenende gerade noch fünf der insgesamt rund 70 Mitglieder den Weg nach Kassel. Statt um eine Problemlösung ging es ausschließlich darum, einen Schuldigen für das Dilemma zu finden. Noch während der Versammlung traten zwei der Vorständler und zwei weitere Mitglieder aus dem Verein aus. Andere haben ihren Austritt angekündigt. Wüppesahl und Müller führen ihren Streit nun in Presseerklärungen weiter und machen sich gegenseitig für das Desaster verantwortlich. Der auf der Sitzung abgewählte Wüppesahl spricht von formalen Fehlern und erkennt den Beschluss nicht an. Seine Kollegin spricht ihm die Berechtigung zu offiziellen Stellungnahmen ab.

Gleichgültig ob die „Kritischen Polizisten“ weiterhin als Arbeitsgemeinschaft bestehen bleiben, politisch sind sie nach diesem Wochenende am Ende. Sie dürften als wichtige Gegenstimme zu den offiziellen und beschönigenden Darstellungen der Polizeiwirklichkeit nun kaum noch ernst genommen werden. Was jahrelange Disziplinierungsversuche durch Vorgesetzte und die Ächtung bei vielen Kollegen nicht vermochten, haben die „Kritischen“ selbst geschafft. Der Berliner Polizeipräsident Hagen Saberschinsky und andere werden zufrieden sein.