wonderful copenhagen
: Multikultimotive

Es ist wieder soweit: Am Samstag singt Europa um die Wette. Wir machen mit: Täglich eine Spalte Vorfreude.

23 Lieder gibt es beim Grand Prix. Ergo gibt es auch 22 Umbaupausen auf der Bühne, die überbrückt sein wollen. Seit Mitte der 60er-Jahre nutzen die gastgebenden Länder das Anderthalb-Minuten-Intervall gerne zur nationalen Selbstdarstellung. Irland – immerhin sieben Mal Ausrichter des Eurovisionsspektakels – zeigte meist touristische Werbefilmchen: quellklare Bäche, pittoreske Handwerksschmieden, tanzende Mädchen und gemütvoll saufende Männer. Noch heute kommen angeblich Anfragen vom Kaliber „Bitte schicken Sie Angebote, vor Jahren sahen wir Ihre Landschaft bei diesem Schlagerdingsbums“. (Deutschland wird übrigens stets mit Knackwurst, Autobahn und der Rüdesheimer Drosselgasse in Verbindung gebracht: Was das auch immer zu bedeuten hat.)

Seit dem Grand Prix 1999 in Jerusalem haben sich die „Postkarten“ (wie die Filmschnippsel bei der Eurovision genannt werden) ein wenig politisiert. Gezeigt wird nach wie vor die Schokoladenseite des Gastgeber-Landes, aber mit subtilen Botschaften: Dunkelhäutige Menschen treffen auf hellhäutige, krause Frisuren auf schlappe. Die Botschaft ist multikulturell, also immer gleich: Seht her, im Namen der Musik können wir uns verstehen usw.

Auch das dänische Fernsehen wird sich entsprechender Pädagogik bedienen. Seit fünf Wochen tingelt ein Team durch Dänemark, die Filmchen möglichst aktuell zu inszenieren. Deren Motto: Hass auf andere ist ganz, ganz doof. Und wider den Grand Prix. Und überhaupt.

Dass sich momentan in Dänemark bis auf die Sozialistische Volkspartei alle politischen Kräfte beim rechten Mob mit scharfen Sprüchen gegen Einwanderer zu profilieren suchen, stört den Eurovisionsfrieden nicht: Danmarks Radio versteht sich vielmehr als interkulturelle Urzelle des dänischen „Volksheims“. Und zu dem können eben auch alle gehören, die nicht goldblond aussehen.

Klischees haben eben auch ihren ganz eigenen Reiz. Michelle übrigens hat den Schock, dass ihr Kleid (das Kleid!) auf dem Flughafen verloren ging (aber wieder gefunden wurde) gut verdaut – und tourte gestern zur Meerjungfrau. JAN FEDDERSEN