Kurzer Prozess in Tschetschenien

Moskau-treuer Bürgermeister von Grosny ruft gegenüber Unabhängigkeitskämpfern zu Lynchjustiz auf. Kritiker in Moskau sprechen von einem Verstoß gegen das russische Strafrecht. Kämpfe in der Kaukasusrepublik dauern an

MOSKAU dpa/taz ■ In der tschetschenischen Hauptstadt Grosny hat der Moskau-treue Bürgermeister Bislan Gantamirow die Erschießung von Rebellen ohne Prozess verfügt. „Die außergewöhnliche Lage rechtfertigt außergewöhnliche Maßnahmen, damit die Terroristen verstehen, dass niemand mit ihnen Umstände machen wird“, begründete Gantamirow gestern seine Anordnung zur Lynchjustiz.

Dieser „Aufruf zur Willkür“ verstoße gegen das russische Strafrecht, kritisierte der russische Menschenrechtsbeauftragte für Tschetschenien, Wladimir Kalamanow, laut Interfax. Auch die Generalstaatsanwaltschaft erklärte, Gantamirow setze sich über das Gesetz hinweg.

Obwohl Grosny Anfang Februar 2000 von russischen Truppen erobert wurde, verüben die tschetschenischen Rebellen dort fast täglich Anschläge oder beschießen Wachposten. Außerdem wurden in den vergangenen Wochen zahlreiche russische Einwohner von Unbekannten ermordet. Terroristen, die auf frischer Tat ertappt werden, sollen nach den Worten von Gantamirow „vernichtet“ werden.

In der Stadt Argun östlich von Grosny kesselten russische Truppen gestern nach eigenen Angaben zwei Rebellengruppen ein. Der Ort wurde mit Artillerie und aus der Luft beschossen. Mehr als zehn Rebellen seien gefangen genommen worden.