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Vom Polizeigriff zum Übergriff

Eine Ausstellung im Haus der Demokratie will die Alltäglichkeit der Gewalt von Polizisten zeigen – und mögliche Gründe für dieses Verhalten. Aber erreicht sie die richtigen Leute?

„Viele Beamte wissen, dass man nicht einfach zuschlagen kann. Also wird ein wenig provoziert“, sagt ein Berliner Polizist. Er erklärt gerade, wie die Polizei in seinem Bezirk Autokontrollen durchführt: Davor werde „geguckt, welches Auto mit Ausländern besetzt ist. Das wird dann angehalten und kontrolliert. Die Kennzeichnungsprüfung dauert dann extra etwas länger als bei Deutschen.“ Diese Sätze eines gewöhnlichen Schutzpolizisten sind natürlich provokant.

Dass sie keine Ausnahmesituation, sondern lediglich die alltägliche Gewalt im deutschen Polizeialltag illustrieren, will derzeit eine Ausstellung im Haus der Demokratie belegen. Unter dem Titel „Vom Polizeigriff zum Übergriff“ soll mit solchen Texten nicht nur das aggressive Fehlverhalten von Polizeibeamten im Dienst dokumentiert werden. Die Ausstellung prüft auch, inwiefern interne Strukturen des Polizeiapparates Schläge, Tritte und Beleidigungen durch die Beamten überhaupt erst ermöglichen oder sogar fördern.

In Berlin werden laut einer Statistik des Abgeordnetenhauses pro Jahr etwa 950 Strafverfahren gegen Polizisten wegen Körperverletzung im Amt eingeleitet. Trotz einer hohen Dunkelziffer seien Übergriffe durchaus nachweisbar, teilt eine Schautafel mit. Gedächtnisprotokolle von Polizeiopfern, wie dem 17-jährigen Palästinenser Ahmed S., der von einer Personenkontrolle auf dem Breitscheidplatz erzählt, stellten keine Seltenheit dar: „Dann führten sie mich hinter einen Laden von dem Weihnachtsmarkt, wobei mich zwei von den dreien ab und an wieder schlugen und traten. Sie fragten mich, ob ich Muslim sei. Als ich bejahte, schimpften sie: ‚Scheiß Allah, scheiß Palästinenser‘.“

Nicht zuletzt wegen solcher Erlebnisberichte haben die Verantwortlichen des Antidiskriminierungsbüros Berlin e. V. diese Sammlung von Fotos, Filmmaterial und Interviewschnipseln organisiert. „Viele Menschen suchen bei unserem Verein Unterstützung, nachdem sie Opfer von Polizeiübergriffen geworden sind“, erklärt eine Ausstellungsmacherin am Montagabend bei der Eröffnung der Schau. „Die Betroffenen berichten dabei von Beleidigungen und Drohungen bis hin zu Körperverletzungen und Freiheitsberaubung“, fügt Felix Heiduk, ein weiterer Initiator der Ausstellung, hinzu.

Heiduk und seine Kollegen haben in den vergangenen sechs Monaten den Polizeiapparat genauer untersucht. In einem Text schreiben sie, schon die Ausbildung sei von „Unterordnung“ und „mangelnder Selbstkritik“ geprägt. Während des zweieinhalb Jahre dauernden Trainings entwickle sich ein auf Kameradschaft und Loyalität basierender „Korpsgeist“. Deshalb würden viele Polizisten auch ihre gewalttätigen Kollegen decken, wenn es später zu Anzeigen komme.

Die gesetzlichen Maßnahmen, die Übergriffe politisch und juristisch begünstigten, führt der Vorsitzende des Republikanischen Anwaltsvereins Wolfgang Kaleck auf einer weiteren Schautafel aus: „Das sind unter anderem die verdachtsunabhängigen Personenkontrollen, die Schleierfahndung in Grenzgebieten, aber auch Kontrollen, die an so genannten ‚gefährlichen‘ Orten hier in Berlin stattfinden, wo mittlerweile jeder Polizeibeamte jeden Menschen kontrollieren kann.“ Die Folge dieser Maßnahmen sind für Kaleck offensichtlich: „Das führt natürlich zu Auseinandersetzungen, weil sich Menschen durch Kontrollen diskriminiert fühlen. Und hier hat im Prinzip derjenige, der kontrolliert wird, immer die schlechteren Karten.“

Beispiele, die diese These belegen, liefert die Ausstellung reichlich. Die Misshandlung eines am 1. Mai festgenommenen Antifaschisten wird genauso ausführlich zitiert wie die eines Asylbewerbers am Bahnhof Lichtenberg. Übrig bleibt die Frage, ob die Texte des Antidiskriminierungsbüros die richtigen Adressaten erreichen. Bei den 50 Gästen der Eröffnung hatte man vielmehr den Verdacht, auf Freunde der Ausstellungsmacher zu treffen. Wie sie nickend die Schautafeln in dem hellen Raum abschritten, sahen sie alle so aus, als seien sie von der Gewalttätigkeit der Polizei längst überzeugt. KIRSTEN KÜPPERS

„Vom Polizeigriff zum Übergriff“. Haus der Demokratie, Greifswalder Str. 4, 10405 Berlin. Bis 20. Mai, 15–19 Uhr.

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