: Bürgerliche Hinterschinken
Die Tschechische Republik hat jetzt elf überregionale Tageszeitungen. Die neuesteheißt „Super“, hofiert die konservative ODS – und setzt auf Po statt Oberweite
PRAG taz ■ Boulevard im Großformat: Super heißt das jüngste Kind der tschechischen Medienszene. Knapp über eine Woche alt und täglich zu bewundern. Seine Mission: den Freiraum zwischen Seriosität und Regenbogen zu füllen.
Das Blatt ist daher ganz nach den geläufigen Strickmustern der Yellow-Press aufgemacht. In Farben und Layout eine Kopie von Bild oder der britischen Sun, kauen die Artikel Lieblingsthemen tschechischer Kaffeekränzchen und Biertische wieder. Altbekannte Klatschgeschichten um das Liebesleben der Präsidentengattin oder die sexuellen Vorlieben prominenter Parlamentarier kommen auf der Super-Titelseite zu neuen Ehren. Immerhin die Seite zwei ist nach guter Boulevard-Tradition ernsthaften politischen Themen vorbehalten, auf der letzten dreht Super dagegen eine beliebte Praxis ihrer Standesgenossen um: Hier prangt kein tiefes Dékolleté, sondern täglich ein neuer Hintern – schließlich handelt es sich um die hintere Seite. Dem obligaten Busen, samt lächelndem Sternchen, ist dafür die Rubrik „Sex und Gesundheit“ in der Mitte des Blattes vorbehalten.
Kapital aus Österreich
„Chybí Ti nìco super“ – „Dir fehlt was ohne super“. Wochenlang hat dieser Werbeslogan den Launch des neuen Blattes angekündigt. Die wahren Nutznießer dieser elften überregionalen tschechischen Tageszeitung sind aber offenbar nicht in erster Linie die LeserInnen (denen wenigstens formal noch mehr Vielfalt geboten wird): Hinter Super steht die Aktiengesellschaft e-Media, eine hundertprozentige Tochter der österreichischen Investitionsfirma EPIC. Vorstandsvorsitzender der e-Media ist Vladimír Motlík, ein alter Freund und Tennispartner von ODS-Chef Václav Klaus. Kein Wunder also, dass Super ODS-Nähe nachgesagt wurde, noch bevor sie die Kioske mit ihrer 300.000 starken Auflage überfluten konnte.
Was die Spatzen schon im Voraus von den Dächern pfiffen, hat das Blatt gleich in den ersten Tagen seines Erscheinens bestätigt. Die politischen Kommentare liegen eindeutig auf der Linie der Bürgerlichen. Doch trotz aller Bemühungen samt verspäteter Hofberichterstattung vom zehnjährigen Jubiläum der ODS ist Super bei Klaus auf nicht allzu viel Begeisterung gestoßen. Viel zu lesen gäbe es da nicht, grafisch sei sie unordentlich, ließ der ODS-Chef verlauten. Zweifel gibt es nicht nur über das Layout der Postille. Auch die offiziellen Verkaufszahlen werden von der Konkurrenz hinterfragt.
Weil sie bisher kein größeres Verlagshaus im Rücken hat, heißt es in Prager Medienkreisen, brauche Super einen Medienpartner, um im Kampf um Marktanteile zu bestehen. Den scheint das Boulevardblatt auch schon gefunden zu haben – oder war es am Ende andersherum: Vladimír Zelezny, einflussreicher Medienunternehmer und Chef des erfolgreichsten tschechischen Privatsenders TV Nova, kokettiert schon seit Jahren mit der Idee einer Tageszeitung.
ULRIKE BRAUN
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