Streitfall Embryo

Ist ein Embryo eine schützenswerte Zelle? Die Justizministerin kämpft alleine gegen die Regierung

BERLIN taz ■ Justizministerin Herta Däubler-Gmelin will den vom Bundeskanzler Gerhard Schröder angestrebten Kurswechsel in der Biomedizin nicht mittragen. Am Montag machte sie dem SPD-Präsidium klar, dass Gentests an künstlich befruchteten Embryonen und auch die Forschung daran nicht mit dem Grundgesetz vereinbar sind, wenn sie dabei absterben. Auch eine Änderung des Embryonenschutzgesetzes würde nach Meinung der Ministerin nichts daran ändern.

Däubler-Gmelin widerspricht damit ihren Parteikolleginnen Edelgard Bulmahn und Ulla Schmidt. Sowohl Forschungsministerin Bulmahn als auch Gesundheitsministerin Schmidt sprechen sich schon seit längerem dafür aus, dass die Präimplantationsdiagnostik (PID), bei der Embryonen auf Erbkrankheiten untersucht werden, auch in Deutschland erlaubt sein müsse.

Auch auf der SPD-Päsidiumssitzung konnte der Streit nicht beigelegt werden. Vor wenigen Wochen schon waren die drei Ministerinnen aufgefordert worden, ein gemeinsames Positionspapier zur Biomedizin auszuarbeiten. In dem daraufhin unter Federführung der Forschungsministerin verfassten Entwurf, der nun im Präsidium diskutiert wurde, fehlten jedoch die von Däubler-Gmelin formulierten grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies deutet daraufhin, dass Bulmahn weiterhin gewillt ist, eine gesetzliche Möglichkeit zu schaffen, dass die PID, die zum Beispiel in Belgien bereits erlaubt ist, auch in Deutschland angewandt werden darf. Auch die Option, mit embryonalen Stammzellen forschen zu dürfen, würde damit offen gehalten.

Zwar sind sich alle drei Ministerinnen darüber einig, dass die Herstellung von embryonalen Stammzellen vorerst in Deutschland verboten bleiben soll. Zuerst soll geklärt werden, ob die gleichen Ziele nicht auch mit Stammzellen von Erwachsenen erreichbar sind. Doch Bulmahn zufolge sollen die Fragen zur Forschung mit embryonalen Stammzellen in dem von Bundeskanzler Schröder einberufenen Nationalen Ethikrat behandelt werden. Im Unterschied dazu ist Däubler-Gmelins Position – Embryonen dürften nicht zum Nutzen Dritter eingesetzt werden – als deutliches „Nein“ zu der Gewinnung von Stammzellen aus künstlich befruchteten Embryonen zu werten. Nach ihrer Auffassung verstoße selbst die Forschung an solchen Embryonen, die etwa nach einer künstlichen Befruchtung übrig geblieben seien, gegen die Verfassung. WOLFGANG LÖHR