pampuchs tagebuch
: Der gesunde Rauch der neuen Zeit

Als „genussfähiger Gewohnheitsraucher“ blicke ich auf eine lange Geschichte des Qualmens zurück: Von den ersten Ernte 23, die ich als Erbteil meines Vaters übernahm, bis zum heutigen computergestützten naturreinen Ökogenuss war es ein langer Weg. Peter Stuyvesant begleitete mich bei meinem Aufbruch in die große, weite Welt, Rothhändle mit seinem Jazz-und Intellektuellenimage markierte die erste Abwendung vom bürgerlichen Konsumfetischismus. Aus Frankreich schwappten zur Zeit der Nouvelle Vague Gauloises und die schicken Gitanes in ihrem Breitwandformat stilbildend in meinen Aschenbecher. Dann folgten lange Jahre des Selberdrehens, vorzugsweise mit Drum, gelegentlich auch mal mit dem wüsten Schwarzen Krauser.

Im Ausland näherte ich mich gemäß meiner Theorie, dass fremde Länder auch inhaliert werden müssen, der jeweiligen Kultur mit so exotischen Lokalmarken wie Players, Nazionali, Austria3 und Inka. Von der internationalen, aber zweifellos imperialistischen Marke Marlboro hielt ich mich nach Kräften fern. Am heimischen Schreibtisch aber blieb ich dem Drehen treu – bis ich meinen ersten Computer kaufte.

Im Leben jedes drehenden Rauchers ist die Umstellung auf Computerarbeit ein tiefer Einschnitt. Irgendwann macht das Keyboard nicht mehr mit. (Wie das der unverdrossen weiterdrehende Redakteure dieser Seite schafft, ist mir ein Rätsel.) Mir haben die Brösel jedenfalls mehrmals meine Tastatur lahm gelegt – aus den dann mühsam herausgeschüttelten Resten ließen sich allerdings gut und gern noch zwei schlanke, wenn auch trockene Zigaretten herstellen.

Ich entschloss mich, aus Gründen der Gesundheit für mich und mein Kistchen, zum präfabrizierten Stengel zurückzukehren, und griff dem Zug der Zeit entsprechend zu den neuen Lightmarken. Zunächst zur hellblauen Camel, dann vor einigen Jahren zu den knallroten Gauloises légères. Mein Laptop, der inzwischen den 286er abgelöst hatte, dankte es mir. Die Aschenreste verdaut er besser als die Drumbrösel.

Doch die Entwicklung geht unaufhaltsam weiter. Seit einer Woche habe ich eine neue Marke. Sie heißt (natural) American Spirit (medium), und damit bin ich das Opfer einer überaus raffinierten Internetwerbung geworden. Nachdem mich Freunde auf diese „Kult-Zigarette“ und ihre Website www.americanspirit-europe.com aufmerksam gemacht hatten, bin ich ihr prompt verfallen. Nicht nur wegen des Friedenspfeife rauchenden Indianers auf der Packung. Immerhin handelt es sich um eine echte Internet-Ökozigarette aus „100 % besten, natürlichen Virginia-Tabaken vom ganzen Blatt“.

Die schlauen deutschen Vermarktungsstrategen haben ihre ausschließlich auf Mund-zu-Mund- und Internetwerbung angelegte Kampagne so geschickt angelegt, dass man „American Spirit“ praktisch gleich zur Müsli-, Grünen-Parteitags- oder auch taz-Leser-Zigarette ausrufen könnte.

Nichts fehlt auf der Seite, was unsereinen ködern kann. Da ist von „authentischer Tradition der indianischen Ureinwohner“ die Rede. Die Gründer der Santa Fé Natural Tobacco Company (der Verfasser eines „Handbuchs für den Marihuanapflanzer“ und ein ehemaliger Akupunkteur) outen sich als aus der Freak- und Hippie-Ecke kommend. Sie haben in einem „grünen Laden“ in Santa Fé angefangen und appellieren, „Masse durch Qualität und gedankenloses Konsumieren durch bewusstes Genießen zu ersetzen“.

„Smoke less and enjoy it more.“ Da bin ich ja so was von Zielgruppe. Und den nächsten Händler findet man geschwind durch die Eingabe seiner Postleitzahl. Naturprodukte – elektronisch angesteuert. Authentisch und ohne Chemie. Festgedreht und ohne Brösel. Gesund süchtig. Ich liebe den Fortschritt. THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com