Seltener Prozess

■ Glasmoor-Bediensteter angeklagt, einen Gefangenen misshandelt zu haben

Gegen 18 Bedienstete der Abschiebehaft Glasmoor, so der Senat vorigen Mai, hat die Staatsanwaltschaft in den vergangenen fünf Jahren ermittelt, weil sie inhaftierte Flüchtlinge misshandelt haben sollen. 17 der Verfahren wurden eingestellt. Nur das gegen den Schließer Hartmut H. kam zur Anklage. Gestern verhandelte das Amtsgericht Norderstedt über die Vorwürfe – und setzte das Verfahren aus, weil der misshandelte Emene K. nicht als Zeuge erschien.

Am 30. März vorigen Jahres kam der Algerier mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus: Jochbeinbruch, ein mehrere Zentimeter langer Riss in der Zunge, Prellungen im Gesicht und an der Schulter. Emene K. sagte gegenüber dem Untersuchungsrichter aus, dass sie ihm von dem Dienstleiter der Abschiebehaft Hartmut H. zugefügt worden seien: Der habe ihn auf eine Beobachtungszelle bringen wollen und dafür in den Transportgriff genommen, also den Arm auf den Rücken gedreht und Oberkörper und Kopf dadurch nach unten gedrückt. Auf dem Gang habe er seinen Gefangenen plötzlich gegen ein Gitter geschmettert.

Bei dem Vorfall waren keine weiteren Insassen, aber mehrere andere VollzugsbeamtInnen zugegen. Während einige nichts mitbekommen haben wollen, sollen andere ihren Kollegen bei ihrer polizeilichen Vernehmung belastet haben.

H. ist seit dem Vorfall suspendiert. Vor Gericht schweigt er zu den Vorwürfen. Sein Anwalt Wolfgang Wiedemann versucht, das Augenmerk eher von seinem Mandanten weg und zu dem damals Misshandelten hin zu lenken. Emene K. war im Sommer aus der Haft entlassen worden. Inzwischen sei er abgetaucht, fährt Wiedemann die Anwältin des Algeriers, Bettina von Hindte, an, und dass dieser deshalb nicht vor Gericht erscheinen würde. Sie erwidert, dass er in dem Fall auch tatsächlich nicht riskieren könnte, sich vor Gericht blicken zu lassen.

Sollte Emene K. auch zum nächs-ten Termin nicht erscheinen, kann das Gericht das Protokoll seiner ersten richterlichen Vernehmung verlesen. Dass es in einem solchen Misshandlungsfall überhaupt so weit gekommen ist, dass der Beschuldigte auf die Anklagebank muss, ist laut Anwältin von Hindte „sehr selten“. Elke Spanner