Poetry on the Road (2): Duo Duo

„Als ich zwanzig war, brauchte ich nur die Augen zu schließen, die Gedichte kamen dann wie von selbst“, hat der chinesische Lyriker Duo Duo einmal gesagt. Seit gut zehn Jahren lebt er im niederländischen Exil, nachdem ihm, der zugleich bedeutender Poet und kritischer Beobachter des Widerspruchs zwischen revolutionärem Ideal und post-kulturrevolutionärer chinesischer Wirklichkeit war, die Rückreise verwehrt wurde. Als Bestandteil des Pekinger Undergrounds verband Duo Duo schon früh Alltagseindrücke mit surrealistischen Vorbildern. T.S.

Fünf Jahre

Fünf Schnaps, fünf Kerzen, fünf Jahre

43 Jahre alt, ein Schweißausbruch um Mitternacht Fünfzig Handflächen fächeln der Tischplatte zu Aus der Vergangenheit schweben Vögel heran,

Vögel mit geballten Krallen

Fünf rote Kracherketten barsten im Mai,

Donner rollte zwischen den Fingern

Doch im April, auf den Zungen vier toter Pferde

schmarotzten vier giftige Pilze, die starben nicht

Am Fünften, fünf Uhr fünf, erloschen fünf Kerzen

Doch die Landschaft, die am Anfang

des Tages noch schrie, starb nicht

Das Haar starb, aber nicht die Zunge

Die Galle, die sich wiederfand

in gekochtem Fleisch, starb nicht

Fünfzig Jahre sickerte Quecksilber

in den Samen, doch der Same starb nicht

Foeten brachten sich selbst zur Welt und starben nicht

Fünf Jahre sind vergangen, fünf Jahre nicht gestorben

In den Fünf Jahren starben zwanzig Generationen von Würmern

Übersetzung: Peter Hoffmann. Duo Duo ist zur Poetry on the Road vom 18. bis 20. Mai in Bremen.