Zu Tode gedrückt

In Ghana sterben 124 Menschen bei einem Fußballspiel. Die Polizei ist daran ganz offenbar nicht schuldlos

BERLIN taz ■ Wenn Sportstadien immer baufälliger und zugleich immer voller werden; wenn die Begeisterung der Zuschauer parallel zu der der Polizei steigt – dann sind Tragödien unvermeidlich. So war es auch am Mittwoch in Ghanas Hauptstadt Accra, als fünf Minuten vor Ende des Spitzenspiels Hearts of Oak gegen Asante Kotoko die ob des 1:2- Rückstands ihres Teams enttäuschten Kotoko-Fans begannen, Stühle auf den Rasen zu werfen. Die Polizei warf Tränengasgranaten zurück und verriegelte die Tore. Daraufhin versuchten viele der 40.000 Zuschauer in Panik, das Stadion zu verlassen. Am Schluss zählten die Behörden 124 Tote, die meisten davon an den Toren zu Tode gedrückt.

Es ist das schwerste derartige Ereignis in der Geschichte des afrikanischen Fußballs, und es reiht sich ein in eine Serie solcher Vorfälle. Am 11. April starben 43 Menschen vor dem Ellis Park Stadion in Südafrikas größter Stadt Johannesburg, als sich zu viele Zuschauer an den Toren des bereits überfüllten Stadions drängten. Am 29. April starben 14 Menschen in Kongos zweitgrößter Stadt Lubumbashi, als die Polizei Tränengas gegen kämpfende Fans auf der Tribüne einsetzte. Am 6. Mai kam es während eines Spiels in Abidjan, größte Stadt von Ghanas Nachbarland Elfenbeinküste, zu Gewalt auf den Rängen mit einem Toten. Bereits im Juli 2000 tötete Simbabwes Polizei im Stadion der Hauptstadt Harare 12 Menschen bei einem Tränengaseinsatz während eines Länderspiels zwischen Simbabwe und Südafrika. Der Tränengaseinsatz war dermaßen heftig, dass sich die Spieler mit dem Gesicht nach unten auf den Rasen legen mussten, bis die Wolken verzogen waren.

Der Umgang afrikanischer Behörden und Fußballverbände mit dieser Lage kann nur als unzureichend beschrieben werden. Erst im Dezember 2000 hatte Ghanas Polizei in Accra bereits massiv Tränengas beim Finale der afrikanischen Champions League zwischen Hearts of Oak und der tunesischen Mannschaft Esperance eingesetzt. Ein Tränengaskanister landete sogar in der VIP-Tribüne, so dass Issa Hayatou, Chef des afrikanischen Fußballverbands CAF, den Rest der Begegnung vom Spielfeldrand verfolgen musste. Das Ergebnis war eine Geldstrafe für Ghanas Fußballverband – ohne Auswirkung auf die Polizei. Und im Kongo fiel den Behörden nach dem Tod von 14 Fans in Lubumbashi vor zwei Wochen nichts Besseres ein, als die Eintrittsgelder zu beschlagnahmen.

Die außerordentlich hohe Opferzahl in Ghana könnte jetzt aber ein paar offizielle Gemüter aufwecken. Die Regierung lässt das Vorgehen der Polizei untersuchen, Ghanas Präsident hat eine Sondersitzung des Kabinetts einberufen, Minister äußerten sich im Rundfunk erschüttert. Der bisher passable internationale Ruf des ghanaischen Fußballs ist ohnehin schon angeschlagen: Sportminister Mallam Yussuf Ali musste vor einigen Wochen zurücktreten, weil er während einer Tour der Nationalmannschaft nach Sudan die Siegesprämie des ghanaischen Teams im Wert von 100.000 Mark „verloren“ hatte.

DOMINIC JOHNSON