Skandal um EU-Gelder in der Slowakei

Exspitzenbeamter soll rund 100 Millionen Mark Fördergelder veruntreut haben. Vizepremierminister entlassen

BRATISLAVA taz ■ Roland Toth ist in Kampfeslaune: „Ich werde nicht akzeptieren, dass meine Karriere zerstört wird“, erklärte der frühere Spitzenbeamte. „Was mir vorgeworfen wird, ist nichts weiter als eine fabrizierte Beschuldigung.“ Toth steht unter dem Verdacht, EU-Fördermittel der Programme Phare und Ispa in Höhe von zwei Milliarden slowakischen Kronen (100 Millionen Mark) veruntreut zu haben. Als Phare-Koordinator der Slowakei soll er diese Summe, 60 Prozent der bisherigen EU-Gelder für die Slowakei, in eigene Firmen gewirtschaftet haben.

Wie schafft es ein Beamter, solch einen Betrag unbemerkt abzuzweigen? „Gar nicht“, behauptet Toth, „die Affäre basiert auf einem Racheakt meiner Frau.“ Während Toth um seine Karriere kämpft, fürchtet die Slowakei um ihren Ruf in Brüssel. Dort war der Veruntreuungsverdacht bekannt, bevor er Ende April in den slowakischen Medien publik wurde. Als erste Reaktion fror die Europäische Kommission sämtliche Fördergelder für die Slowakei ein. Dieser Entschluss wurde zwar kurz darauf vorerst rückgängig gemacht. Dafür lässt die EU den Verbleib ihrer Gelder durch ihre Antibetrugsbehörde Olaf untersuchen.

In seiner Selbstverteidigung verweist Toth immer wieder auf seine laufende Scheidung. Weil er dabei nicht alle Forderungen seiner Frau akzeptiert habe, wolle die ihn fertig machen. In einem 70 Seiten langen Brief an Toths direkten Vorgesetzen, Vizepremier Pavol Hamik, hatte sie Mitte März den Skandal ins Rollen gebracht.

Jedoch nicht nur sie. Ende vergangenen Jahres hatte die Partei der ungarischen Minderheit, Mitglied der Regenbogenkoalition von Mikula Dzurinda, ähnliche Verdachtsmomente gegen Toth geäußert. Was fehlt sind konkrete Beweise. Außer einem neu erbauten Haus bei Bratislava besitze er nichts, beharrt Toth: „Und das habe ich mir durch einen Bausparvertrag finanziert.“

Im Zugzwang befindet sich jetzt die Slowakei, die sich bemüht, ihren Ruf als Stiefkind unter den EU-Anwärtern loszuwerden. Erstes Opfer der Affäre wurde Vizepremier Hamik. Obwohl sein Abgang die Koalition ein Jahr vor den Wahlen noch schwächer macht, wurde er entlassen. Auf Ersuchen von Premier Dzurinda, der den Beitritt seines Landes schon bis weit hinter das erhoffte Datum 2004 entschwinden sieht. Bei einem Treffen mit Brüssels Mann in Bratislava, Walter Rochel, ließ sich Dzurinda von ihm versichern: „Die Beziehungen zwischen der EU und der Slowakei sind hervorragend.“

ULRIKE BRAUN