Im Namen der Dose

Länder machen Front gegen Zwangspfand. Trittin verbündet sich mit Brauereien für Mehrwegsysteme

BERLIN taz ■ Manchmal ist Politik ganz kompliziert. Bayerns Umweltminister Werner Schnappauf (CSU) war zunächst für ein Zwangspfand, schließlich hatte der Freistaat das schon 1991 gefordert. Dann war er dagegen und warf Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) einen „Schnellschuss“ vor. Schließlich beruhigte er sich wieder und wollte „sorgfältig prüfen“. Damit war er noch nicht ganz fertig, als am Mittwochabend der Bayrische Landtag einen Antrag der Grünen annahm, der die CSU-Regierung aufforderte, Trittins Zwangspfand im Bundesrat zuzustimmen. Die mittelständischen Brauereien, in Bayern gibt es hunderte davon, hatten im Landtag kräftig Lobbyarbeit betrieben und genügend CSUler dazu gebracht, dem Antrag zuzustimmen.

Trotzdem ist offen, ob Trittin sein Zwangspfand durch den Bundesrat bringt. Denn manchmal ist Politik auch ganz einfach: Schmalbach-Lubeca ist das Unternehmen, das uns vor fünfzig Jahren die Bierdose geschenkt hat. Heute ist es mit fünf Milliarden Mark Umsatz Marktführer bei unökologischen Verpackungen wie Weißblechdosen und Einwegflaschen. Das Zwangspfand, ließ Schmalbach-Lubeca wissen, gefährde rund 1.000 Jobs der Firma in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz. In Niedersachsen wird kurz nach der geplanten Pfandeinführung gewählt – und so scherte Landesvater Sigmar Gabriel (SPD) aus der SPD-Linie für das Pfand aus. Rheinland-Pfalz war schon immer dagegen. Sachsen-Anhalt hält sich bedeckt. Dafür aber hat nun auch Nordrhein-Westfalen Bedenken entdeckt, zumindest Wirtschaftsminister Ernst Schwanhold (SPD). Das Kabinett vertagte am Dienstag die endgültige Entscheidung. Die Grünen in Düsseldorf vermuten, Schwanhold habe seine Zweifel im nahen Ratingen entdeckt: Dort ist der Hauptsitz von Schmalbach-Lubeca.

Im Kampf gegen die Dose hat sich nun auch Trittin Verbündete gesucht. Gestern lud er Vertreter von Getränkehandel und Privatbrauereien zur gemeinsamen Pressekonferenz. Die Botschaft: Ohne Mehrwegsystem, sagte Brauer-Sprecher Roland Demleitner, gingen 250.000 Jobs verloren – aber nur 50.000 würden für Einweg-Gebinde neu geschaffen. Und dann gibt Trittin plötzlich den Wirtschaftsminister: „Wir sehen mit Sorge, dass der Versuch gemacht wird, die kleinen Betriebe mit Hilfe der Einwegverpackungen vom Markt zu drängen.“ Manchmal ist Politik ganz überraschend.

MATTHIAS URBACH