Rosiger als Schröder

OECD sagt für Deutschland mehr Wachstum voraus als die Regierung. Im Osten aber noch keine stabile Wirtschaft

BERLIN taz ■ Das ist Gerhard Schröder auch noch nicht häufig passiert. Da übertraf ihn gestern noch jemand dabei, Optimismus für die wirtschaftliche Entwicklung zu verbreiten – und dann war es auch noch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Die sieht die deutsche Wirtschaft auf einem stabilen Wachstumskurs. Zwar werde sich das Bruttoinlandsprodukt auf 2,25 Prozent in diesem Jahr abschwächen, für 2002 sagen die Wirtschaftsexperten aber eine Steigerung auf 2,5 Prozent voraus. Der Vertreter der OECD in Berlin, Dieter Menke, forderte die Bundesregierung aber auf, nicht vom Sparkurs abzuweichen. Die Regierung selbst hatte ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum gerade auf zwei Prozent für 2001 und auf 2,25 Prozent für das nächste Jahr heruntergeschraubt.

Skeptisch ist die OECD aber bei der Entwicklung in den neuen Bundesländern. Zwar sei auch in den neuen Ländern der Lebensstandard sehr hoch, ein selbst tragendes Wirtschaftssystem sei aber nicht aufgebaut worden. Für eine wirtschaftliche Erholung der neuen Länder müsse die Steuer- und Strukturpolitik effektiver werden. Menke erinnerte an die hohen Subventionen in der ostdeutschen Bauwirtschaft, die zu regelrechten „Verwerfungen“ geführt hätten. Mitte der Neunzigerjahre, so der Bericht, war der Anteil des Bausektors an der Wertschöpfung in Ostdeutschland wegen der Sonderabschreibungen dreimal so groß wie der Anteil in Westdeutschland.

Das langsame Wachstum im Osten sei auch Folge der hohen Lohnstück-Kosten, meint die OECD. Durch die schnelle Anpassung an das westliche Lohnniveau seien diese Kosten noch nicht auf ein wettbewerbsfähiges Niveau gefallen. Auch bei der Arbeitsmarktpolitik fordert die OECD Veränderungen: Bestehende Sonderförderungen wie ABM sollten zurückgefahren werden, die öffentlichen Verwaltungen sollten ihr Personal weiter reduzieren. Auch in Ostdeutschland müsse sich die Politik stärker auf die Kräfte der Marktwirtschaft verlassen.

Menke stellte die Höhe der Transferkosten von Westdeutschland in den Osten nicht in Frage. „Sie müssen aber effektiver ausgegeben werden.“ Länder und Gemeinden sollten Subventionen umschichten zu Bereichen, die „für die wirtschaftliche Konvergenz von größter Bedeutung sind“, wie die Infrastruktur. Straßen sind der OECD eben wichtiger als Kindergärten.

MARIUS ZIPPE