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Türkei verurteilt

Europäischer Menschenrechtsgerichtshof rügt Verstöße bei Besetzung Nordzyperns 1974. Ankara verweist auf „Türkische Republik Nordzypern“

BERLIN taz ■ Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat gestern die Türkei in Zusammenhang mit der Besetzung Nordzyperns im Jahr 1974 verurteilt. Die Türkei habe eine ganze Reihe Artikel der Europäischen Menschenrechtskonvention gebrochen, urteilten die Richter. Die Republik Zypern hatte Ankara in einer Staatenklage wegen massiver Verletzung der Grundrechte angeklagt. Ein Vertreter der Republik Zypern begrüßte das Urteil. Die Türkei hatte das Straßburger Verfahren boykottiert.

Die Kläger verwiesen gleich auf eine ganze Reihe von Menschenrechtsverletzungen. So verschwanden während der Besetzung des Nordens der Insel etwa 1.500 Menschen, die bis heute nicht wieder aufgetaucht sind. Einige von ihnen wurden noch kurz nach Ende der Kampfhandlungen von Beobachtern des Internationalen Roten Kreuzes in provisorischen türkischen Gefängnissen auf Zypern lebend gesehen. Rund 165.000 griechische Zyprioten wurden damals aus dem Norden nach Südzypern vertrieben. Der Gerichtshof urteilte, die Türkei hätte ermitteln müssen, warum so viele Menschen verschwanden. Das Verhalten der Türkei verletze das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit. Tatsächlich ist es bis heute nicht gelungen, die Türkei zu Ermittlungen über die Verschwundenen zu bewegen. Mehrere Anläufe dazu unter UN-Vermittlung scheiterten.

Zypern warf der Türkei weiter vor, bis heute eine Rückkehr der Vertriebenen in den Norden zu verhindern. Das Gericht verurteilte die Türkei auch wegen Missachtung der Rechte auf Privat- und Familienleben und Eigentum. Ferner ging es in der Klage um die Lebensbedingungen der im Norden lebenden griechischen Zyprer, denen das Wahlrecht verweigert wird. Fast alle dieser „Eingeschlossenen“ sind wegen ständiger Repressionen inzwischen in den Süden ausgewandert. Das Gericht verurteilte die Türkei für die Zensur griechischer Schulbücher wegen Verletzung der Meinungs- und Religionsfreiheit. Die Praxis der nordzyprischen Behörden, auch Zivilisten vor Militärgerichtshöfe zu stellen, wurde in Straßburg als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren moniert.

Die Türkei ist als Unterzeichner der Menschenrechtskonvention verpflichtet, das Urteil umzusetzen. Dass sie dem auch nachkommt, gilt als so gut wie ausgeschlossen. Ankara hatte auf die Verantwortung der international nicht anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ verwiesen, die 1983 unter der Protektion der Türkei gegründet wurde. KLAUS HILLENBRAND

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