„Freude kommt da keine auf“

■ Nächste Woche rollen wieder Atomtransporte durch Hamburg. Im Interview: Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) und Lutz Jobs (Regenbogen)

taz: Nächste Woche sollen Atommüll-Transporte aus den AKWs Brunsbüttel und Stade quer durch Hamburg zur Wiederaufarbeitungsanlage in La Hague fahren. Ein notwendiges Übel, Herr Porschke, oder eine Bestandssicherung für die Atomindustrie?

Alexander Porschke: Freude kommt da keinesfalls auf. Dieses Transporte gehören zu dem politischen Preis, den wir für den Atomausstieg bezahlen müssen. Und der Ausstieg ist das, worauf es ankommt.

Atomtransporte als Mittel zum Ausstieg?

Der Atomkompromiss beinhaltet, dass die Betreiber die Beendigung der Atomindustrie akteptieren. Der Staat garantiert im Gegenzug, dass dieser Ausstieg geordnet verläuft. Und dazu gehören eben auch diese Transporte.

Die Wiederaufarbeitung der Brennstäbe hält jedoch den Plutoniumkreislauf in Gang.

Aber nur für eine begrenzte Zeit, bis 2005. Auch das gehört mit in die Formel vom geordneten Ausstieg. Allerdings ist das ein sehr großes Zugeständnis von Seiten der Politik.

Sie hätten das nicht gegeben?

Ich hätte gerne weniger Zugeständnisse gesehen, die Industrie hätte gerne mehr erreicht. Letztlich ist kein Weg für einen schnelleren Atomausstieg erkennbar. Die Alternative wäre gewesen: gar kein Ausstieg.

Hat der Hamburger Umweltsenator eine Handhabe gegen diese Transporte von strahlendem Atommüll oder zumindest dagegen, dass sie quer durch eine Millionenmetropole führen?

Weder ich noch andere Stellen in Hamburg haben da irgendeine Handhabe oder Zuständigkeit; die Genehmigungen erteilt das Bundesamt für Strahlenschutz. Man muss aber auch sehen, dass von diesen Transporten bei normalem Verlauf keine Gefahren ausgehen. Bei einem richtig schweren Unfall allerdings sind die Gesundheitsgefahren beträchtlich, das muss man einräumen.

Fällt das unter den Begriff Restrisiko?

Dieses Restrisiko, das insgesamt von Atomkraftwerken ausgeht, ist ja gerade der Grund dafür, dass wir die Beendigung erstens der Atomstromproduktion und zweitens dieser Transporte wollen. Deshalb wollen wir auch erreichen, dass die Brennstäbe in neuen Zwischenlagern bei den Kraftwerken bleiben...

Über die in Brunsbüttel und Brokdorf gerade in öffentlichen Anhörungen diskutiert wurde...

Ja. Ein Zwischenlager macht diese Transporte überflüssig. Spätes-tens ab 2005 wird das der Fall sein.

Haben Sie Verständnis für die angekündigten Proteste gegen die Transporte durch Hamburg?

Wenn gegen die Atomindustrie demonstriert wird, habe ich immer volles Verständnis dafür. Ich hätte den Ausstieg auch lieber, ohne einen Preis dafür zu zahlen. Gratis war der aber leider nicht im Angebot.

taz: Nächste Woche sollen Atommüll-Transporte aus den AKWs Brunsbüttel und Stade quer durch Hamburg fahren. Was haben Sie, Herr Jobs, eigentlich gegen diese Transporte?

Lutz Jobs: Sie sichern den Weiterbetrieb der beiden Reaktoren. Dort sind die Lagerkapazitäten für abgebrannte Brennelemente erschöpft. Ohne Transporte müssten beide AKWs in allernächster Zeit abgeschaltet werden.

Nach dem Atomkompromiss zwischen Bundesregierung und Betreibern soll Stade eh in zwei Jahren stillgelegt werden. Ist Ihnen das noch zu lang?

Ja. Gerade Stade, der zweitältes-te deutsche Atommeiler, weist gravierende Sicherheitsmängel auf. Jeder Tag des Weiterbetriebs bedeutet die Gefahr einer Katastrophe.

Es gibt diesen Atomkompromiss, und es gibt Lieferverträge mit La Hague. Eine verantwortliche Politik kommt daran doch gar nicht vorbei.

Eine verantwortliche Politik hat dafür zu sorgen, dass Menschen und Umwelt nicht gefährdet werden. Atomkraft ist eine unverantwortbare Technologie.

Eine Aufforderung zum Vertragsbruch?

Nein, aus meiner Sicht ist das kein Vertragsbruch, denn zum einen sind diese Verträge unverantwortbar und zum anderen würden bei Nichterfüllung dieser Verträge keine Mehrkosten entstehen.

Die radioaktive Strahlung aus den Atommüll-Behältern ist angeblich weit geringer als auf einem Flug nach Mallorca.

Über die Gefährlichkeit streiten sich die Gelehrten seit Jahren, insbesondere die Neutronenstrahlung der Brennelemente gilt als nicht ungefährlich. Vor allem aber geht von den Transporten eine Katastrophengefahr aus. Bei einem Zugunglück mitten in Hamburg würde ein Gebiet von mehreren Kilometern im Umkreis verseucht, auf Jahre hinaus könnten Menschen dort nicht leben. Das steht in einer Studie im Auftrag der Hamburger Umweltbehörde.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Transporten und den Anträgen auf Errichtung atomarer Zwischenlager in Brokdorf, Krümmel und Brunsbüttel, die gerade in öffentlichen Anhörungen diskutiert wurden?

Beides soll eine Möglichkeit der Entsorgung vorgaukeln, die es gar nicht gibt, weil kein sicheres Endlagerkonzept für den Atommüll exis-tiert. Zudem sichern auch die Zwischenlager den Weiterbetrieb der AKWs und stellen ein zusätzliches Gefahrenpotenzial an den Standorten dar. Deshalb lehnt der Regenbogen auch diese Lager ab.

Werden Sie sich persönlich an Aktionen gegen die Transporte durch Hamburg beteiligen, Herr Abgeordneter?

Ja. Der Regenbogen unterstützt gewaltfreie Aktionen und Demonstrationen, die zu einem raschen Atomausstieg beitragen.

Interviews: Sven-Michael Veit