Die Schönen und das Biest

■ Hunderte bis Tausende von Frauen haben Adolf Hitler Liebesbriefe geschrieben. Heute Abend lesen drei Bremer Schauspielerinnen im Brauhauskeller daraus vor

„Du wirst gewiss Sehnsucht nach mir haben“, schrieb sie. „Du süßes Luderchen, innige Küsse.“ Sie liebte ihn abgöttisch. Er hat sie nicht einmal gekannt, noch nie gesehen. Ihr Liebesbrief traf am 9. Juli 1941 in der Berliner Reichskanzlei ein. „Lieber Adi!“ stand in der Anrede, und gemeint war Adolf Hitler.

Die Verfasserin war nur eine von hunderten, sogar tausenden von Frauen im Nazi-Regime, die ihren Führer anhimmelten wie einen Gott. Sie strickten ihm Strümpfe und Schals, schickten ihm sogar ihre Zimmerschlüssel mit der genauen Anweisung, wie die strenge Hauswirtin zu umgehen ist.

Nur wenige Jahre später, nach Ende des Krieges, stand der Führerbunker in Berlin unter russischer Verwaltung. Der US-amerikanische Offizier W.C. Emker bekam die Erlaubnis zur Besichtigung. In einem der Räume fiel ihm ein großer Haufen von Briefen und Postkarten auf, der unbeachtet vor sich hinmoderte. Emker steckte sich ein paar Briefe ein. Er kam noch einige Male in den Bunker, und jedes Mal verließ er ihn mit vollen Taschen.

Auf diesem Weg konnte der Amerikaner rund 8.000 Verehrer-Briefe an Hitler in Sicherheit bringen. Veröffentlicht wurden sie erst mehr als 40 Jahre später. Heike Frank, Schauspieldramaturgin am Theater am Goetheplatz, ist auf das Buch „Liebesbriefe an Adolf Hitler“ gestoßen und holte die lyrischen Ergüsse nach Bremen. Heute Abend werden Susanne Schrader, Irene Kleinschmidt und Wiltrud Schreiner 30 der Briefe im Brauhauskeller lesen.

Heike Frank kennt die unterschiedlichen Frauentypen, die nicht von „Adi“ lassen konnten. „Die einen schicken ihm einfach nur Liebesgrüße. Sie glauben, dass er an Liebesmangel leidet, und wollen ihm Wärme geben oder sogar ein Kind von ihm. Dann gibt es aber noch solche, für die Hitler schon fast ein Gott zum Anbeten ist.“

Die abstrusesten Briefe kämen von Frauen, die sich eingebildet haben, sie hätten ein Verhältnis mit Hitler. Sie unterzeichnen ihre Briefe mit „Deine Dich liebende Frau“, glauben verschlüsselte Botschaften von ihm via Radio zu empfangen und freuen sich auf das Wiedersehen nach dem Krieg, wenn „Adi“ endlich Zeit für sie hat.

Das Paradoxe dabei: Einige der psychisch kranken Frauen, die Hitler immer wieder auf diese Art bedrängten, fielen seinem eigenen Euthanasieprogramm zum Opfer. „Für mich sind die meisten Frauen keine Opfer, sondern Täter“, stellt Heike Frank fest. „Sie haben die Nazi-Propaganda unheimlich gut aufgenommen.“ Heike Frank ist sich sicher, dass die Frauen zu ernstzunehmenden Tätern geworden wären, wenn man sie von Herd und Kindern weggelassen hätte.

spo

Lesung „Lieber Adi!“ heute Abend um 20.30 Uhr im Brauhauskeller