Nicht gut, was wehtut

Bewegung und Entspannung: Die Berliner Gesundheits-Akademie will die Präventivmedizin fördern. Zur Gesundheitsvorsorge werden Ärztefortbildungen und ein „Fit yourself“-Programm angeboten

von MARGRET STEFFEN

Meist kommt die Erkenntnis unverhofft – als schlechtes Gewissen oder Pieken im Kreuz: Mehr Sport sollte man treiben, ab morgen immer laufen gehen. Es gibt Leute, die darauf drängen, dass wir uns selbst diesen Gefallen tun: die Präventivmediziner. Sie überlegen sich genau, mit welchen Freizeitvergnügen künftige Leiden vermeidbar sind.

„Ab dem Alter von 60 Jahren steigt die Zahl kostspieliger Erkrankungen schlagartig an“, sagt Jürgen A. Schwanbeck, Leiter der Berliner Gesundheits-Akademie. Er sieht nur eine Chance dafür, dass Alzheimer, Diabetes und Schlaganfall in Zukunft seltener auftreten: Allein die Präventivmedizin könne verhindern, dass es in einigen Jahren zur „sozialen Katastrophe“ komme.

Denn diese sei unausweichlich, wenn die Menschen immer länger krank sind und sich dazu die Jüngeren schon früh mit chronischen Leiden herumplagen. „Die Krankenkassen haben kein Geld, die Ärzte sind alle budgetiert“ – Schwanbeck sieht das jetzige Gesundheitssystem mit dem Rücken zur Wand. Um Änderungen von Grund auf mitzubewirken, gründete er vor sechs Jahren die Berliner Gesundheits-Akademie (GAP). „Wir wollen Kosten sparen helfen, die Betreuung von Patienten optimieren und die Präventivmedizin weiterentwickeln“, sagt Schwanbeck, Chef der GmbH.

Momentan therapieren Ärzte in Deutschland erst, wenn der Patient krank ist. Für Vorsorgemaßnahmen dürfen derzeit nicht mehr als fünf Prozent der Behandlungskosten pro Patient ausgegeben werden, die alte Regierung strich noch Massagen und Rückengymnastik aus den Kassenleistungen. Inzwischen habe sich aber international die Erkenntnis durchgesetzt, sagt Schwanbeck, „vorne etwas zu tun“, damit sich später die typischen Alterskrankheiten seltener einstellen.

Im Zentrum der Präventivmedizin steht die Bewegung. „Es ist das alte Rezept vom leichten Jogging, Walking, Radfahren – jede wissenschaftliche Studie landet dort. Es ist falsch, sich dabei auszupowern – wir haben immer nur gelernt, dass gut ist, was wehtut.“ Die Menschen müssen vielmehr lernen, welche Bewegungen für den Körper gut sind.

Die GAP zertifiziert darum Fitnessstudios in deutschen Städten, in denen die Trainer medizinisches Know-how vorweisen können. „Das ist dann keine Muckibude“, sagt Schwanbeck, vielmehr seien dort auch Ältere anzutreffen, die unter Anleitung an ihrem Bluthochdruck arbeiten oder erfolgreich Gelenkarthrose vorbeugen.

Neben der Bewegung geht es noch um weitere Aspekte: Zum einen wird die Ernährung angepasst. Des Weiteren gibt es mentales Training gegen Berufsstress. Und die Umweltmedizin beschäftigt sich mit den Schadstoffablagerungen in Nägeln, Haut und Hirn, „ein bei uns völlig unterbelichtetes Problem“, sagt Schwanbeck.

Der präventive Sportmedizin also als maßgeschneiderte Lösung für die jetzigen Probleme von Gesundheitssystem und Büromenschen? Bisher war das Ringen mit dem inneren Schweinehund vorwiegend Privatsache. Immerhin, seit der Gesundheitsreform im letzten Jahr dürfen die Kassen wieder Bewegungskurse unterstützen – „aber vorher nichts, dann zehn Mal Übungen und hinterher nichts“, das sei zu wenig, meint Schwanbeck. „Anreize können nur die Krankenversicherungen schaffen.“ Daher arbeitet die GAP mit der Berlin-Kölnischen Versicherung zusammen, einer kleinen Privatkasse. Die hat einen Zusatztarif eingeführt, über den Gesundheitstraining bezahlt wird. Die Patienten rechnen dann die Nachweise aus Kursen und Fitnessstudios ab.

Die budgetgeplagten Ärzte seien indes auf gesunde Patienten angewiesen, sagt Schwanbeck. „Unser Ziel ist, dass die Ärzte präventiv tätig werden dürfen und das abrechnen können.“ Um das voranzutreiben, erhalten Ärzte bei der GAP Fortbildungen, in denen sie lernen, präventives Gesundheitstraining in ihre Behandlungen einzugliedern. Die GAP steht dazu im Austausch mit der Berliner Ärztekammer und Medizinerverbänden.

Schließlich bietet die Gesundheits-Akadamie auch Kurse für den Normalverbraucher an. Das Programm „Fit yourself“ läuft derzeit in Pilotprojekten und soll noch in diesem Jahr an den Start gehen. Wer die drei Abende mitmacht, lernt Muskeln und ihre Bewegungen zu erfühlen und erarbeitet sich sein eigenes Trainings-Procedere.

„Wir setzen uns zusammen aus Ärzten, Sportexperten, Wissenschaftlern und Kommunikationsleuten“, sagt Schwanbeck über die Akademie, die sich ihren jährlichen Etat von Wirtschaftspartnern sponsern lässt. Der 51-jährige Schwanbeck ist Diplomsportlehrer, arbeitete als Bundestrainer, später in Wirtschaft und Marketing. Zehn Jahre war er im Sportärztebund dabei – das schaffe bei den Ärzten Vertrauen für seine Idee, sagt er. Und: „Wir haben ein gigantisches Problem zu lösen.“

Falls der Richtungswechsel bei Gesetzgeber und Kassen kommt, sieht er auch für die Patientenmotivation kein Hindernis: „Früher war Sport nur etwas für die Reichen, jetzt kann jeder joggen.“ Bald, so hofft er, ist der Nutzen von Bewegung und Prävention bei jedem angekommen.

Eine Liste der 33 von der GAP zertifizierten Fitnessstudios in Berlin gibt es unter Tel. (0 30) 84 39 98-0. Die GAP-Angebote sind auch einzusehen unter: www.Gesundheits-Akademie.de