Bund Deutscher Köpf-Mädchen

Die kleine Kanzlergattin und die große Kindererziehungsdebatte der „Bild“-Zeitung

Das arme Wesen wird, will es abends mal fernsehen, mit „Wetten dass . . .?“ traktiert

Kanzlergattinnen sind schon immer eine Zumutung gewesen, aber Doris Schröder-Köpf ist eine echte Pest, und seit sie ihrem Mann im Boulevard populistische Heckenschützenhilfe gibt, weiß man, dass Hannelore Kohl im Vergleich zur Reitpeitschen schwingenden Köpf geradezu als gemütliche, ja angenehme Person gelten kann, die sich in vornehmer Zurückhaltung übte und Welt und Leute nicht mit sich belästigte. Vom „Nachrichtenblatt ohne Nachrichten“ (Hans-Hermann Tiedje über Focus) zu dem Nachrichtenblatt übergelaufen, das seine Nachrichten selbst zusammenbrutzelt, kolumniert sie sich gern in Bild aus. Dort verriet sich denn am 27. November 2000 ihr kleines Geheimnis: „Das muss man erst einmal verdauen: Ausgerechnet meine liebsten Wurstsorten, Tee- und Leberwurst, werden von Fachleuten als BSE-bedenklich eingestuft!“, ließ sie Deutschland an ihren Ängsten und Nöten und Wurstpräferenzen teilhaben. „Wie viele Kilogramm davon habe ich seit meiner Kindheit wohl gegessen?“, frug sie verzweifelt die Bild-Leser, als wäre es die Aufgabe der Öffentlichkeit, über die Kilogramm Teewurst Buch zu führen, die im Haushalt Schröder jährlich so verputzt werden. Da ahnte man schon, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Und tatsächlich, denn pünktlich zur Schlusspointe ihres Wurst-Kommentars bewies sie, dass die heimtückische Teewurst bereits ihre Wirkung entfaltet hatte. „Genug jedenfalls“, röchelte sie aus der Bild-Zeitung heraus, „um jetzt mehr als ein mulmiges Gefühl im Magen zu verspüren.“

Auch jetzt hat Doris Köpf wieder so ein mulmiges Gefühl, und Bild dokumentierte es. Das Gefühl hieß: „Deutsche sollen Kinder strenger erziehen“, und prangte auf Seite eins neben einer klapperschlangendürren Kanzlergattin. „Wir müssen unseren Kindern Werte vermitteln“, schabrackte Doris Köpf-ab in alter BDM-Tradition, und die ist ja bekanntlich nicht immer schlecht gewesen. „Pflichtbewusstsein, Fleiß, Aufrichtigkeit, Hilfsbereitschaft, Verlässlichkeit, Anstand, richtiges Benehmen – das sind für mich (. . .) Tugenden und Werte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden müssen“, sagte schon Adolf Hitler nur zwei Generationen vorher, und der muss es schließlich wissen. Okay, okay, es war nicht der kleine, schnauzbärtige Erziehungsberater Adolf Hitler, sondern Doris Köpf, die das sagte, aber Sie werden zugeben müssen, der Altkanzler hätte es nicht besser auf den Punkt bringen können.

Doris Köpf hätte wahrscheinlich nicht alles gut gefunden, was der Führer zur Erziehung der Nation beitrug, aber inzwischen gibt es selbstverständlich modernere Methoden, mit denen der Bund Deutscher Köpf-Mädchen ein Kind so richtig gequält kann. Der Tag von Köpf-Tochter Klara ist „ausgefüllt mit Schule, Klavier- und Reitunterricht“, und als ob das nicht schlimm genug wäre, wird das arme Wesen, will es abends mal fernsehen, mit „Wetten dass . . .?“ traktiert. Diesen Kindesmissbrauch möchte ich „schrödern“ nennen und beantrage hiermit, dass diese Folter von der UNO als menschenunwürdiges Verbrechen geächtet wird, aber vermutlich wird man erst Generationen später die Spüli-Wirkung auf die Gehirntätigkeit erkennen, die Thomas Gottschalk auf unschuldige wie schuldige Menschen gleichermaßen ausübt.

Und auch sonst ist die geschröderte Tochter der Köpf mit dieser Mutter nicht zu beneiden. Ein Handy würde sie höchstens zur „Heimwegkontrolle“ bekommen, und Taschengeld gibt’s gerade mal fünf Mark. Mit diesem psychologisch ausgefeilten Erziehungskonzept hat Doris Schröder-Köpf in Kollaboration mit Bild eine so genannte Debatte losgetreten, die darin besteht, dass sich alle einig sind. Die Erziehungsexpertin Angela Merkel zum Beispiel, die doch ganz danach aussieht, als sei auch sie in ihrer Kindheit geschrödert worden, könnte sich „beispielsweise einen Modellversuch mit schicken Schuluniformen vorstellen“, ein Vorschlag, den schon der ehemalige Kiffer Ulrich Wickert gemacht hat wegen des von Bild konstatierten „Konsumterrors“ – und an diesem Begriff nun wird besonders deutlich, dass die 68er die Meinungsführerschaft übernommen haben. Von „Konsumterror“ spricht, wer seinen Geiz kaschieren will, denn komischerweise wünschen sich gerade diejenigen, die nun wirklich genug Knatter haben, eine möglichst vom Staat finanzierte Schuluniform. Und das alles, um in der grauslichen Sprache des TV-Zombies Johannes B. Kerner „die Kinder fit fürs Leben zu machen“. Eine Drohung, die Übles ahnen lässt und die für einen selbst nur einen Trost bietet, nämlich dass sich das Elend dieser neuen Generation, die da herangezüchtet wird, dann mit der Milde und Distanz der Altersmeise betrachten lässt.

KLAUS BITTERMANN