Der Fallschirm bleibt noch zu

Nach dem 1:1 bei Hertha BSC Berlin freut sich Leverkusens Zirkusdirektor Don Calli über die beinahe sichere Champions-League-Qualifikation. Ob diese mit Berti Vogts bestritten wird, ist weiterhin offen

aus Berlin FRANK KETTERER

Der Mann, der dem Vernehmen nach einen ganzen Zirkus sein Eigen nennt, war sichtlich in seinem Element: Fernsehkameras und Mikrofone waren auf Aufnahme gestellt, Bleistifte gespitzt – und also war es ganz offensichtlich an der Zeit für eine weitere Vorstellung im lustigen Zirkus „Don Calli“. Reiner Calmund, wie der Herr Direktor mit bürgerlichem Name heißt, liebt solche Auftritte, das sieht man ihm an: Wenn sich die Menschen ganz eng im Halbkreis um ihn scharen und fast schon eine kleine Manege bilden, dann lässt er die Puppen gerne tanzen – und die Worte gleich obendrein.

Es gab zuletzt ja auch jede Menge zu erzählen aus dem Leverkusener Zirkus Maximus, und natürlich konnte der XXL-Manager auch am Samstag eine neue Attraktion aus dem Ärmel zaubern, kurz nachdem seine Angestellten in der Arena des Berliner Olympiastadions ein 1:1 gegen die dort heimische Hertha zustande gebracht hatten. „Wir sind sicher im Uefa-Cup“, gab Don Calli da bekannt, überdies „zu 60 bis 70 Prozent in der Champions-League-Qualifikation“ mit von der Partie, was nach „so einer Gurkensaison“ nun wirklich keine Selbstverständlichkeit sei. Zudem seien die Zugänge von Hans-Jörg Butt (HSV), Zoltan Sebescen (VfL Wolfsburg) und Michael Zepek (Karlsruher SC) perfekt, der von Yildiray Bastürk (VfL Bochum) immerhin ziemlich sicher. „Erstklassige Indianer“ habe man da verpflichtet – und ganz nebenbei „unsere Personalpolitik für die nächste Saison beendet“.

Bitte? Personalpolitik beendet? War da nicht noch was? Natürlich war da noch was! Aber danach wollte Reiner Calmund dann doch lieber von den Reportern befragt werden – und nicht schon wieder ganz von selbst lospoltern und ohne feststellbaren Grund ein weiteres Kännchen Öl ins unlöschbare Feuer gießen. „Der Mann hat eine Menge Ahnung von Fußball“, gab Calmund also zu bedenken, „hat in acht Jahren nur zwölf Länderspiele verloren“ und werde von der Uefa ganz bestimmt nicht zufällig durch die Lande geschickt, um Spiele zu analysieren. Nein, nein, sollte das heißen, dieser von Calmund höchstselbst nach Leverkusen gelockte Berti Vogts ist schon ein toller Trainer mit noch tollerem Fußballsachverstand.

Nur dass man diesem tollen Trainer auch in der nächsten Saison werkeln lässt beim Werks-team, das bedeuten all diese schönen Worte noch lange nicht, auch wenn den Leverkusenern jetzt in der Tat nur noch ein Sieg fehlt zur Champions-League-Qualifikation im letzten Heimspiel gegen den Tabellenletzten aus Bochum. Der würde zumindest eine weitere Option auf jene in der Champions League garantierten 30 bis 35 Millionen Mark sichern, auf die Calmund so sehr aus ist, dass er bereits unter der Woche das Ziehen der Reißleine angekündigt hatte für den Fall des neuerlichen Scheiterns. Dass Vogts’ Fallschirm diesmal noch geschlossen blieb, bedeutet im Umkehrschluss ganz offenbar aber keineswegs, dass der tolle Trainer tatsächlich solcher auch bleibt. Calmund terminierte den „Ladenschluss und Kassensturz“ in seinem Zirkus jedenfalls auf nächsten Samstag, mithin der letzte Spieltag, nach dem man sich zusammensetzen werde, „um so ziemlich alles auf den Prüfstand zu stellen“. Der Rest dürfte sich für den tollen Trainer, unter dessen Anleitung Leverkusen zehn Siege, elf Niederlagen und nun drei Remis holte, fast zwangsläufig ergeben, hoffentlich öffnet sich dann auch der Fallschirm im rechten Moment.

Dass Hertha-Trainer Jürgen Röber in nächster Zeit einen solchen benötigen könnte, war zumindest am Samstag nicht absehbar, dürfte aber ein Thema werden, wenn sich die Berliner nächstes Wochenende beim 1. FC Kaiserslautern nicht mindestens einen Platz im Uefa-Cup sichern sollten. Die Qualifikation zur Champions League wäre selbst bei einem eigenen Sieg nur dann noch machbar, wenn zeitgleich Leverkusen remisierte oder gar verlöre, womit aber selbst Röber nicht so richtig rechnet. „Die erneute Teilnahme an der Champions League wäre ohnehin eine gigantische Entwicklung“, findet der Hertha-Übungsleiter, prinzipiell unmöglich war ihr Erreichen in dieser seltsam mittelmäßigen Saison nicht, so wenig wie der Sieg gegen Leverkusen. Denn nachdem Sebastian Deisler in der 21. Minute per Zaubertor aus spitzestem Winkel getroffen hatte, bekamen die Hauptstädter das Geschehen auf dem Rasen zusehends in den Griff und hätten durchaus nachlegen können, zum letzten Mal durch Marco Rehmer nach exakt einer Stunde – und somit just zu jener Zeit, in der sich das Spiel entscheiden sollte: Juric nahm Rehmer den Ball vom Fuß, der verletzte sich dabei, die daraus für Momente entstandene Überzahl nutzte Oliver Neuville aus zumindest abseitsverdächtiger Position schließlich zum 1:1 (61.), das nicht nur Röber wie einen „Schlag mit dem Hammer“ empfand.