„Schwarz-Grün in Berlin wäre ein Signal“

Frank Steffel wird heute zum neuen Vorsitzenden der Berliner CDU-Fraktion gewählt. Er setzt auf einen anderen Politikstil als sein affärengeschüttelter Vorgänger Klaus Landowsky und wünscht sich eine Modernisierung der Berliner Grünen. Vorerst setzt er aber noch auf Harmonie mit der SPD

Interview ROLF LAUTENSCHLÄGER

taz: Herr Steffel, Sie kandidieren am heutigen Dienstag für den Fraktionsvorsitz der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus und folgen Klaus Landowsky nach. Wie groß sind die Stiefel, in die Sie steigen wollen?

Frank Steffel: Klaus Landowsky hat in den vergangenen elf Jahren die Fraktion und seit über zwanzig Jahren die Berliner CDU sehr maßgeblich geprägt. Ich habe Respekt vor dieser Leistung, aber keine Angst vor der Aufgabe und Herausforderung. Ich fühle mich dem gewachsen, was mich erwartet.

Kommt der Fraktionsvorsitz für Sie nicht zu früh? Landowsky geht vor dem Hintergrund der Spendenaffäre nicht freiwillig und hatte den Generationswechsel für 2002 angekündigt.

Meine Lebensplanung war nie eine politisch dominierte. Vielmehr habe ich meine wirtschaftliche und generelle Unabhängikeit immer auch außerhalb der Politik gesehen. Das schafft die nötige Distanz. Die Situation ist nun gekommen, wie sie ist, und als Eberhard Diepgen mich vor drei Monaten fragte, ob ich mir vorstellen könnte, für diese Aufgabe zur Verfügung zu stehen, habe ich mir das überlegt und mit vielen, die mich und das Amt kennen, gesprochen.

Was hat letztlich den Ausschlag gegeben zu kandidieren, woher kam der Kick?

Zum einen habe ich die Verpflichtung empfunden, in einer schwierigen Lage für die CDU mich der Partei und der Stadt nicht zu verweigern. Zum anderen haben mich viele in der CDU ermutigt. Und drittens habe ich mir in den vergangenen Jahren selbst und anderen bewiesen, dass ich dazu in der Lage bin. Ich traue mir das einfach zu.

Was wird sich ändern?

Ich werde versuchen, mit meinem Stil die insgesamt erfolgreichen zwanzig Jahre Politik der Berliner CDU seit 1981 nicht enden zu lassen.

Bedeutet dieser andere Stil, dass es einen Kulturbruch zur „Ära Landowsky“ geben wird?

Klaus Landowsky und ich gehören sicherlich zwei unterschiedlichen Generationen an. Ich neige aber nicht dazu, heute schon zu sagen – kurz nach dessen Rücktritt und bevor ich gewählt bin –, was ich besser machen werde als er. Ich glaube allerdings, dass ich teamorientierter arbeiten werde, dass wir möglicherweise etwas mehr diskutieren, aber dann auch konsequent entscheiden werden.

Polarisieren Sie weniger?

Man muss pointieren, etwa im Wahlkampf und um inhaltliche Positionen deutlich zu machen. Ich finde es aber nicht gut, wenn Politik versucht, die Gesellschaft zu spalten. Mit Schwarz und Weiß oder Gut und Böse lässt sich in unserer komplizierten Welt nichts beantworten. Mein Politikverständnis ist, Menschen zusammenzuführen und nicht gegeneinander aufzubringen, auch über Parteigrenzen hinweg.

Wo liegen stattdessen die Grenzen?

Es gibt klare Grenzen zum rechten und linken Rand. Aber was sich dazwischen bewegt, sollte erstens gesprächsfähig sein und zweitens versuchen, Konsens herzustellen.

Welche Gemeinsamkeiten gibt es für Sie als Vertreter der jungen CDU-Generation mit den Grünen?

Ich habe bei der Wahlberichterstattung zur Landtagswahl in Baden-Württemberg die Aussagen der dortigen Grünen sehr genau verfolgt und den Eindruck gewonnen, dass wir als junge, frische Berliner CDU mit einer Vielzahl von Positionen und Personen überhaupt keine Probleme hätten. Es ist der Versuch, Politik über Parteigrenzen hinweg zu gestalten, Politik sehr zukunftsorientiert auszurichten und sich neuen Entwicklungen in allen Bereichen der Gesellschaft nicht zu verschließen. Das sind Perspektiven, die ich mir von den Grünen insgesamt wünschen würde: von einer größeren Innovationsfreundlichkeit über Themen der Globalisierung, der Wissengesellschaft und der technologischen Revolution, die nun mal nicht an den deutschen Grenzen Halt machen.

Wo stimmen Sie denn komkret mit Grünen-Positionen überein?

Beispielsweise bei der der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften habe ich mit den gesellschaftspolitischen Vorstellungen der Grünen nicht die Probleme, wie sie etwa meine Vorgängergeneration noch hat. Auch wenn ich den Begriff der Homo-Ehe für unglücklich halte, weil er polarisiert und weniger den Versuch bildet, zu integrieren. In den gesellschaftlichen Lebensentwürfen ist die liberale Position, dass jeder weitestmögliche Freiheiten genießen soll, soweit er einem anderen damit nicht schadet, eine Haltung der Union, die kompatibel ist mit der der Grünen.

Können Sie sich für Berlin eine schwarz-grüne Koalition vorstellen?

Ich habe den Eindruck, dass die Berliner Grünen noch in wesentlichen Bereichen die alte Westberliner Alternative Liste darstellen. Wenn ein Transrapid-Ingenieur oder ein junger Biotech-Existenzgründer bei den Grünen eintreten könnte, wäre für mich der Zeitpunkt da, wo man ganz realistisch an der Verwirklichung einer Zusammenarbeit zwischen einer modernen Grünen-Partei und unserer modernen CDU gehen könnten. Das hätte doch eine unglaubliche Signalwirkung in die Republik, wenn das in der Hauptstadt zuerst gelänge. Wir werden ja sehen, ob die Grünen sich hier in den nächsten dreieinhalb Jahren in diese Richtung entwickeln.

Die jetzige Agrarministerin Renate Künast oder die Brüsseler EU-Kommissarin Michaele Schreyer, beides zwar keine Biotech-Fans, aber ehemals grüne Berliner Realpolitikerinnen, verkörpern doch längst nicht mehr das Grünen-Milieu, das Sie beschrieben haben.

Ich habe beide vielfach sowohl als kompetente als auch als pragmatische Politkerinnen kennen gelernt. Aber gerade sie sind nicht aus der Westberliner Grünen-Szene entwachsen, sondern kamen aus dem Westen der Republik. Ich hoffe aber, dass es durch den Regierungsumzug und die Regierungsbeteiligung der Grünen auf Bundesebene weitere Persönlichkeiten gibt, die die Grünen hier ein Stück weit in diese Richtung führen.

Dann wäre Schwarz-Grün eine Option?

Heute ist das eher Spekulation statt Option. Wenn überhaupt, dann müssten sich die jungen Grünen gegen die AL-Dinosaurier durchsetzen, die ich schon als Schüler kannte.

Wie ist denn Ihr Verhältnis zur SPD-Fraktion? Dass in der großen Koalition derzeit der „Sex“ nicht stimmt, es von Ausstiegsszenarien, Gegenkandidaten und gegensätzlichen Sachthemen wimmelt, ist doch offensichtlich?

Mit den Sozialdemokraten, mit denen ich in den vergangenen Jahren im Berliner Bezirk Reinickendorf und dann im Landesparlament zusammengearbeitet habe, habe ich positive Erfahrungen gesammelt.

Klaus Wowereit, Fraktionschef der SPD, hat sich recht zurückhaltend über Sie geäußert.

Ich bin sicher, dass die Zusammenarbeit, zumindest von meiner Seite, auch mit Klaus Wowereit gelingt. Es hat bereits in der letzten Woche am Rande des Plenums ein langes und ausführliches Gespräch mit ihm gegeben. Ich bin da zuversichtlich, weil ich jemand bin, der grundsätzlich mit Menschen offen umgeht.

Sowohl die SPD als auch CDU-Finanzsenator Peter Kurth verfolgen die Strategie einer rigiden Haushaltssanierung. Ziehen Sie da mit, oder ist das Thema Nettoneuverschuldung, wenn es etwa um wichtige Investitionen geht, kein Tabu?

Der von Peter Kurth eingeschlagene Weg der Haushaltskonsolidierung wird von mir uneingeschränkt unterstützt und das Ziel des Landes, bis 2009 die Nettoneuverschuldung und weitere Kreditaufnahme zu beenden, ebenfalls. Das ist von elementarerer Wichtigkeit für diese Koalition. Die Frage, ob man Investitionen heute unterlässt und damit Strukturen von morgen verhindert, ist für mich keine ideologische, sondern an den Erfordernissen in ganz konkreten Situationen festzumachen. Ich denke auch an die Generation von morgen und lasse nicht zu, dass man heute technologische, wissenschaftliche oder Forschungsstrukturen kaputtmacht.

Auf dem Parteitag am Wochenende hat die CDU den personellen und inhaltlichen Innovationsschub förmlich beschworen. Was sind die neuen Ziele für Sie und die Fraktion?

Zu den inhaltlichen Schwerpunkten zählen für mich an erster Stelle die Arbeitsplätze und deshalb der Messeausbau, der internationale Großflughafen, die Fusion mit Brandenburg und die Fußballweltmeisterschaft 2006. Dazu gehören auch der Wissenschafts-, Bildungs- und Kulturbereich. Die Hauptaufgabe der Fraktion und meine Rolle als Fraktionsvorsitzender sehe ich darin, die Koalition mit der SPD stabil und so weit wie möglich harmonisch bis 2004 zusammenzuhalten und den Senat bei den schwierigen Sachentscheidungen zu unterstützen. Dabei muss trotzdem deutlich gemacht werden, dass es in einer Koalition unterschiedliche Auffassungen gibt. Aber ich definiere mich nicht über die Profilierung am Koalitionspartner.

Die Fraktionen haben die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren. Wie groß ist Ihre Distanz oder Nähe zu Eberhard Diepgen?

Ich halte es für unverzichtbar, dass der Vorsitzende der größten Regierungsfraktion zum Chef der Regierung ein gutes Verhältnis hat, sonst gestaltet sich die Arbeit wie auch die Kontrolle sehr schwierig.

Auf dem Parteitag war viel vom Wechsel die Rede, Sie selbst sind ein Teil davon. Wer kandidiert 2004 für die Union als Spitzenkandidat für das Amt des Regierenden Bürgermeisters?

Wenn er will, Eberhard Diepgen. Und wenn er aus persönlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung steht, dann wird die CDU das 2003 sehr genau überlegen. Mehr ist zum heutigen Zeitpunkt dazu nicht zu sagen.